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Die Attacken der Kassen sind ernst zu nehmen

Autor: Dr. Günter Gerhardt

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Korruptionsvorwürfe, Regresse, Patientenrechtshilfe - Dr. Günter Gerhardt warnt vor GKV-Speeren.

Auf dem 115. Deutschen Ärztetag in Nürnberg hat der CDU-Gesundheitspolitiker Jens Spahn die Aussage getroffen, dass die Union daran festhält, dass Ärztinnen und Ärzte für die medizinische Versorgung der Bevölkerung zuständig sind: „Das geht nicht ohne Sie/sie!“ Stellen Sie sich mal vor, er hätte gesagt, die Union geht davon aus, dass wer Benzin tanken will, eine Tankstelle anfahren soll und nicht eine Bäckerei. Ganz Deutschland hätte gelacht. Bei uns muss man das ausdrücklich betonen ...

Benzin gibt es an der Tankstelle, Medizin beim Arzt

Zuvor hatte Bundesärztekammerpräsident Dr. Montgomery die Veranstaltung zum Thema Krankenversicherung der Zukunft mit deutlichen Bemerkungen anmoderiert – in Richtung einer Kassenstudie, die uns Ärzten Korruption unterstellt. Der Vorwurf: Die Inhaber von Dentallaboren, Apotheken, Orthopädiehäusern und anderen nicht­ ärztlichen Einrichtungen müssen blechen, um für Ärzte und Kliniken arbeiten zu dürfen.


Das Ergebnis der Studie kam zustande, indem Telefoninterviewer die Wahrnehmungen und Erfahrungen von 1141 Ärzten, leitenden Klinikmitarbeitern und nicht ärztlichen Leis­tungserbringern abfragten. Hier wird mal wieder platt und tendenziös versucht, unseren Berufsstand zu skandalisieren. Wir lassen uns das fast ohne Gegenwehr seit Anfang der 1970er Jahre gefallen, damals entstand der Begriff „die Beutelschneider“.
Die Forderung von KBV-Chef Dr. Köhler, „Ross und Reiter gegenüber den Kammern und KVen zu nennen“, geht in die richtige Richtung.


Doch Obacht! Gerade die KVen müssen wissen, was da auf die Ärzteschaft zurollen kann – und sich auf die ersten von den Krankenkassen angezeigten Fälle vorbereiten. Mitte der 1980er bis Ende der 1990er Jahre ist das schon mal geschehen, als vor allem Krankenkassen Ärzte wegen des Verdachtes auf Abrechnungsbetrug anzeigten.


Ein namhaftes Beispiel ist der „Fall Braunbeck“. Der Mainzer Hausarzt engagierte sich als Prüfarzt für ein faires Modell zur Wirtschaftlichkeitsprüfung und entwickelte 1991 das nach ihm genannte Braunbeck-Modell. Sozialgerichte hatten es anerkannt, einem Vertreter einer Krankenkasse war es offenbar bitter aufgestoßen. Er saß mit Dr. Werner Braunbeck in einem Prüfungsausschuss, wo sich wohl das eine oder andere Scharmützel ereignet hatte.

Arznei-Experte von Regress bedroht? Mir wird mulmig!

Dieser GKV-Vertreter zeigte Dr. Braunbeck an, die Staatsanwaltschaft leitete ein Ermittlungsverfahren ein. Mehrere Haus- und Praxisdurchsuchungen, 50 Tage Haft wegen Verdunklungs- und Fluchtgefahr sowie ein endloser Prozess folgten. Es wurde über 17 Jahre ein dunkles Kapitel Rechtsgeschichte geschrieben. Das Verfahren wurde 2007 eingestellt, die Prozesskosten beliefen sich auf über eine Million Euro, Dr. Braunbeck starb am 8. Juni 2007 im Alter von 65 Jahren an einem Herzinfarkt.


Weder Kammern noch KVen dürfen dieses und zahlreiche andere (leider zum Teil auch gerechtfertigte) Verfahren gegen Ärzte vergessen, vor allem dann nicht, wenn so etwas wie der jetzige Korruptionsvorwurf losgetreten wird – oder wenn dem ehemaligen KV-Vorstand Dr. Jan Geldmacher ein von den Kassen initiierter Regress von über 16 700 Euro droht. Er hat in seiner alten KV die Pharmakotherapieberatung geleitet und führt seit einem Jahr im Bereich der KV Niedersachsen eine Landarztpraxis. Wenn ich das lese, wird mir ganz mulmig.

Forderung nach Schadensersatz mit Hilfe der Kasse

Damit nicht genug: Die Bundesregierung will die Patientenrechte stärken. So sollen die Möglichkeiten der Patienten verbessert werden, nach einem Behandlungsfehler Schadens­ersatz zu bekommen – und bei der Durchsetzung helfen: die Krankenkassen! Patienten müssen umfassend und allgemeinverständlich informiert werden und sie erhalten ein Recht auf Akteneinsicht. Bei groben Behandlungsfehlern muss der Arzt beweisen, dass die Behandlung auch ohne den Fehler nicht erfolgreich gewesen wäre.


Keine Frage: Wir müssen uns um die Rechte unserer Patienten kümmern und dürfen Korruption nicht dulden. Aber die Arbeit in den Versorgerpraxen und Krankenhäusern darf nicht durch überbordende Maßnahmen erschwert werden. Und der Nachwuchs darf von diesen Meldungen nicht vergrault werden.

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