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Notfallversorgung: KV Berlin heizt den Kliniken ein

Gesundheitspolitik Autor: Cornelia Kolbeck, Foto: fotolia/schulzfoto

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Seit Jahren schwelt in der Hauptstadt ein Streit zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) und der Berliner Krankenhausgesellschaft (BKG) über die Patientenversorgung in Rettungsstellen. Das Bundesgesundheitsministerium soll nun klarstellen.

In den rund 40 krankenhauseigenen hauptstädtischen Erste-Hilfe-Stellen werden jährlich rund 1,2 Mio. Patienten versorgt, rund 800 000 davon ohne stationäre Weiterbehandlung. 20 % der Patienten könnten laut BKG auch ambulant in einer Arztpraxis behandelt werden. Doch statt sich auf ein gemeinsames Konzept zur Patientensteuerung zu einigen, bekriegen sich BGK und KV mit Presseerklärungen.

KV ist sich ganz sicher: "Der Notfall ist darzulegen"

BKG-Geschäftsführer Uwe Slama beklagte bereits im vergangenen Jahr, dass die Notaufnahmen durch rein ambulante Fälle überlastet sind – wegen einer "unzureichenden Sicherstellung im vertragsärztlichen Bereich". Weiterer Klagepunkt sind ungedeckte Kosten von über 72 Mio. Euro pro Jahr. Vorgerechnet wird, dass der durchschnittliche Erlös pro ambulantem Notfall bei rund 30 Euro liegt, die Ausgaben dagegen mehr als 120 Euro betragen.

In Reaktion auf die andauernde öffentliche Schelte verlangen die KV-Vorstände Dr. Angelika Prehn, Dr. Uwe Kraffel und Burkhard Bratzke seit Februar von den Kliniken, dass Notfallbehandlungen, die während der Sprechstundenzeiten (werktags von 7 Uhr bis 19 Uhr) erbracht werden, bei der Abrechnung gesondert und ausführlich mit einer "Gefahr für Leib und Leben" zu begründen sind.

Die KV verweist auf ein Urteil des Bundessozialgerichts von 2012 (B 6 KA 5/12 R [15]). Darin heißt es: "Der Arzt darf nicht mehr Leistungen erbringen und verordnen, als es dem Rahmen der Notfall-Erstversorgung entspricht. [...] Der Behandlungsumfang ist beschränkt auf die Maßnahmen, die bis zum erneuten Einsetzen der Regelversorgung in den üblichen Sprechstundenzeiten erforderlich sind."

Für die KV-Spitze, die 9000 Kassenärzte in 6000 Praxen vertritt, heißt das: Eine Behandlung im Notdienst während der Öffnungszeiten der Praxen darf nur ausnahmsweise erfolgen: "Der Notfall ist darzulegen – mehr haben wir nicht verlangt."

"Der Vorstoß der Kassenärztlichen Vereinigung, dort, wo jede Minute zählt, dem Personal noch zusätzliche Verwaltungsarbeit aufzubürden, ist falsch", sagt Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU). Er hat sich inzwischen an das Bundesgesundheitsministerium gewandt und um eine schnelle Bewertung der Gesetzesauslegung durch die KV gebeten. "Wegen 35 Euro Notfall­entgelt bei 1,2 Millionen Patienten pro Jahr eine solche Bürokratie einzuführen, ist unverantwortlich."

NAV kritisiert aggressive 
Rhetorik

Czaja hat sich längst auf die Seite der Kliniken gestellt und eine bessere Ausstattung der Rettungsstellen im Berliner Krankenhausplan 2016 durchgedrückt. Er zeigt sich zufrieden über die gesetzliche Festlegung des Bundes, den Krankenhäusern gestufte Zu- und Abschläge für die Notfallversorgung gewähren zu können.

Die Landesgruppe Berlin des NAV-Virchow-Bundes spricht von einer "groben Fehlplanung". "Czaja nutzt die derzeit herrschende Konfliktsituation mit dem Vorstand der Berliner Kassenärztlichen Vereinigung zum Nachteil der niedergelassenen Ärzte in der Hauptstadt", wettert Landes-NAV-Chef Mathias Coordt.

Verständnis zeigt der Verband für die Abrechnungsvorgaben der KV: Selbstverständlich müssten Krankenhäuser Notfallbehandlungen begründen. Anders sei eine wirtschaftliche Behandlung nicht zu gewährleisten. Die aggressive Rhetorik der KV-Spitze in Richtung Krankenhäuser erweise sich jedoch als "Bärendienst" für die Praxisärzte.


Quelle: Medical-Tribune-Bericht

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