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Übergangsgeld futsch! Dafür mehr Gehalt?

Gesundheitspolitik Autor: Hermann Müller

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Die drei Berliner KV-Vorstände müssen die Anfang 2011 rechtswidrig kassierten Übergangsgelder (je 183 000 Euro) zurückzahlen. Der Verpflichtungsbescheid der Aufsicht ist rechtsgültig, die KV nahm eine Klage vor dem Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg zurück. Vergangene Woche stellte die Vertreterversammlung (VV) die Weichen für die Rückzahlung. Nun werden Pläne geschmiedet für eine satte Erhöhung der Vorstandsbezüge.

Kurz vor Weihnachten 2012 waren KV-Chefin Dr. Angelika Prehn und ihre Vorstandskollegen Dr. Uwe Kraffel und Burkhard Bratzke scheinbar siegesgewiss zum LSG nach Babelsberg gereist. Zur Verhandlung stand die Klage der KV Berlin gegen einen Bescheid der Aufsicht, der die Rückzahlung von jeweils 183 000 Euro Übergangsgeld forderte.


Das hatten die drei Ärzte Anfang 2011 kassiert – trotz ihrer Wiederwahl als KV-Vorstände für weitere sechs Jahre und eindeutiger Vorgaben in den Dienstverträgen. „Übergangsgeld“ steht Vorständen jedoch nur nach dem Ausscheiden und der hauptberuflichen Rückkehr in ihre Praxen zu.

KV-Chefin Dr. Angelika Prehn hatte sich von der Gerichtsverhandlung sicherlich einen anderen Ausgang erhofft.
Fotos: KV Berlin

Wie seine beiden Kollegen darf auch KV-Vize Dr. Uwe Kraffel sein 2011 kassiertes Übergangsgeld nicht behalten.

Das KV-Gehalt ist nicht die einzige Einkunftsquelle, die ein KV-Vorstandsmitglied wie Burkhard Bratzke hat.


Es kam vorm LSG anders als von der KV-Spitze erwartet. Der Vorsitzende Richter Martin Laurisch redete Tacheles, erklärte den Sinn von Übergangsgeldern, verwies auf eindeutige Dienstverträge, klare Vorgaben in der Satzung, listete tatsächliche und mögliche Rechtsverstöße auf. „Es stand immer Übergangsentschädigung drauf, es war immer Übergangsentschädigung drin, es fand nie ein Übergang statt“, so das Gericht, die Klage habe keine Chance.

Übergangsgeld des KV-Vorstandes eine "Sonderzahlung"?

Professor Dr. Wolfgang Spoerr, der als Anwalt der KV den Anspruch des Vorstands auf die „Sonderzahlungen“ zu begründen versuchte, setzte dem Gericht kaum etwas entgegen. Sein 62 Seiten langes Gutachten, mit dem er in der VV noch punkten konnte, schien vor dem LSG kaum mehr wert zu sein als Altpapier.


In Saal 3 des LSG wurde auch deutlich: Der Vorstand fühlte sich unterbezahlt. Da das höhere Gehalt nicht durchsetzbar war, griff man in die Trickkiste. Am 27.1.2011 (dem Tag der Wiederwahl) unterzeichneten Dr. Prehn, Dr. Kraffel und Burkhard Bratzke mit dem erst seit zwei Wochen im Amt befindlichen VV-Chef Dr. Joachim Treisch eine „Anpassung“ der Dienstverträge. Einschränkungen im alten Vertrag waren ausgehebelt, wenig später war der Vorstand um 549 000 Euro reicher.


Das war rechtswidrig, las Richter Laurisch den Beteiligten die Leviten. Laut Satzung entscheide die VV über Dienstverträge und Gehälter, der Vorsitzende setze Beschlüsse um, nicht umgekehrt. Die VV habe zwar gut drei Monate später (am 5.5.2011) die „Auszahlung“ der Gelder abgenickt, aber „nicht mit der erforderlichen Klarheit“. Man könne streiten, ob die VV nachträglich Beschlüsse über die vorherige Legislaturperiode treffen dürfe.

KV Berlin zog Klage zurück

Im letzten Moment zog die KV die aussichtslose Klage zurück und verhinderte so, dass die Blamage schriftlich als Urteil festgehalten wurde. Prof. Spoerr kaschierte die Niederlage notdürftig, indem er verbreitete, „entscheidend“ für die Rücknahme sei eine wichtige Änderung im Bescheid gewesen, wonach die VV bei Vorstandsgehältern einen „breiten Ermessenspielraum“ habe. Richtig ist: Die Feststellung steht im Gerichtsprotokoll, sie beschreibt lediglich die bestehende Rechtslage.


Was sich vor Gericht andeutete – Kompensation der Rückzahlung durch Gehaltserhöhung –, wurde anschließend Thema in kleinen KV-Zirkeln. Neue Pläne wurden geschmiedet, Ausschüsse einberufen, Vertraute des Vorstands warben für eine Gehaltserhöhung. Ein Antrag im Haushalts- und Finanzausschuss, 183 000 Euro verteilt auf sechs Jahre (30 500 Euro) auf das Gehalt zu packen, scheiterte. Damit würde das Berliner Trio bundesweit zu KV-Spitzenverdienern aufsteigen.


Schon jetzt beziehen die Herren Dr. Kraffel und Bratzke Jahresbezüge von rund 230 000 Euro, Frau Dr. Prehn etwas weniger. Das Trio sitzt in Gremien der KBV, wofür es Sitzungsgelder kassiert (z.B. 300 Euro in KBV-Ausschüssen). Hautarzt Bratzke erhält für seine Tätigkeit im Verwaltungsausschuss der Berliner Ärzteversorgung monatlich 1000 Euro. Die drei sind ärztlich tätig, in eigenen Praxen oder angestellt, erzielen Überschüsse oder Honorare.

Rückzahlung von jeweils 183 000 Euro

Die drei Vorstände müssen jetzt jeweils 183 000 Euro zurückzahlen. Sie hoffen offenbar auf Kompensation. Letzte Woche machte die VV in nicht öffentlicher Sitzung den Weg frei für Verhandlungen über die Anpassung der Bezüge. Die Pläne ernteten Kritik. Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU), der die Rückzahlung per Bescheid anordnete, „fehlen fast die Worte, so unverschämt kann man doch nicht sein nach unrechtmäßiger Auszahlung von über einer halben Million Euro“.


Aus dem Schneider ist der Vorstand nicht. Eine Anklage wegen Untreue hängt wie ein Damoklesschwert über den Köpfen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts der Untreue. Nach der deutlichen Schlappe vorm LSG könnte es also noch eng werden für die  „Kassierende Vereinigung“. Unter dieser Bezeichnung belegte der Vorstand letztes Jahr bei der Wahl der 100 peinlichsten Berliner des Stadtmagazins „TIP“ den 11. Platz. Er hätte einen Platz auf dem Treppchen verdient.

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