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Pünktlicher Praxisbetrieb hängt vom Arzt ab

Praxismanagement , Patientenmanagement Autor: Michael Reischmann

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Offene oder Terminsprechstunde? Für die Hausarztpraxis liegt die Lösung wohl in der Mischung, meinen die Hausärztinnen Claudia Kahle und Ruth Deecke. Ihre Hinweise und Tipps für junge Ärzte zum Thema Praxisorganisation stoßen auch bei gestandenen Praxisinhabern auf Interesse.

Claudia Kahle, Hausärztin in einer Gemeinschaftspraxis in Nienhagen bei Celle, und Ruth Deecke, Haus­ärztin in einer Gemeinschaftspraxis im nahen Eicklingen, sind selbst erst wenige Jahre niedergelassen. Um andere junge Kolleginnen und Kollegen von ihren Erfahrungen profitieren zu lassen, erzählen sie in der "Werkzeugkasten"-Seminarreihe des Instituts für hausärztliche Fortbildung (IhF), wie sie es in ihren Praxen handhaben und welche Ansätze es gibt, damit "das Genie das Chaos" überblicken kann.

Eine "reine Terminsprechstunde" ist in einer Hausarztpraxis kaum möglich, sagen sie. Vielmehr macht‘s die Mischung, indem z.B. Kollegen in wechselnden Schichten offene und Terminsprechstunden anbieten.

Eine Terminsprechstunde hat für die Ärztin / den Arzt z.B. den Vorteil, Zeiten für eigene Vorhaben blocken zu können. An Montagen und nach Urlaubs- oder Feiertagen kann es wegen der vielen spontanen Besucher sinnvoll sein, die Hausarztpraxis mit offener Sprechstunde zu führen – plus ein paar Termine für Patienten, die der Arzt nach einem Wochenende erneut sehen möchte. Vorteile der Akutsprechstunde sind, dass es keinen Stress mit der Terminvergabe gibt und sich die Patienten kaum über lange Wartezeiten beschweren, weil sie wissen, wie‘s läuft.

Anrufe von Kollegen werden ins Arztzimmer durchgestellt

"Die Pünktlichkeit kommt vom Arzt", sagt Kahle. Da heißt es, sich selbst zu disziplinieren. Wenn die Sprechstunde um 9 Uhr beginnt, laufen die Vorbereitungen des Praxisteams bereits seit 8:15 Uhr. Und gerät der Terminkalender dann doch einmal durcheinander, hat die Ärztin auch kein Problem damit, sich bei den wartenden Patienten dafür zu entschuldigen.

Akutpatienten werden in ihrer Praxis im Anschluss an die regulären Sprechzeiten behandelt, also nach 12 Uhr oder gegen Abend. Echte Notfälle seien so selten, dass für sie keine extra Puffer im Terminkalender vorgesehen sind; dringliche Patienten lassen sich ggf. auch vor Beginn der regulären Sprechstunde einbestellen.

Auf "Ach-Frau-Doktor-nur-mal-eben"-Gespräche am Praxistresen lässt sich Kahle selten ein. Störungen durch eine MFA während einer Behandlung wegen Nichtigkeiten sind tabu. Anrufe von Kollegen lässt sich die Ärztin jederzeit durchstellen – schließlich erwartet sie diese Zusammenarbeit auch umgekehrt. Pharmareferenten empfängt sie nicht.

Auf kalkulierte Zeit achten, weiteres Treffen anbieten

In jeder Hausarztpraxis gibt es psychosomatische Patienten, die der MFA ankündigen, dass die Konsultation nur kurz dauern werde, die sich aber beim Arzt festquatschen. Damit solche Gespräche nicht zeitlich aus dem Ruder laufen, wird zwar das Anliegen angesprochen. Doch ggf. weist Kahle die Patienten auf die aktuell begrenzte Behandlungsdauer hin und bittet sie, einen kurzfristigen Anschlusstermin bei der MFA zu vereinbaren, um dann genügend Zeit für das Anliegen zu haben.

Die MFA bietet Termine an – und schiebt niemanden rein

Aussagen von MFAs wie "Wir schieben Sie ein", obwohl alle Termine vergeben sind, lehnt Kahle ab. Besser klinge: "Wenn Sie nicht bis morgen/übermorgen warten können/wollen, können Sie gerne um ... vorbeikommen, müssen aber mit Wartezeit rechnen." Im Sinne der Patientenerziehung sei es wichtig, dass Patienten mit Termin spürbar schneller dran kommen als unangemeldete. Auch können sich Akutpatienten in der Gemeinschafts­praxis ihren Arzt in der Regel nicht aussuchen, sondern werden demjenigen Kollegen zugeteilt, der gerade Ressourcen hat

 

Der Nächste, bitte!

 

Terminvergabe nach einem Triage-System (mit Farbcode im elektronischen Terminkalender und kalkuliertem Zeitbedarf)

  • Echter Notfall, sofort: rot (10–20 Min.)
  • Dringlicher Termin, muss am selben Tag gesehen werden: orange (10 Min.)
  • Akut-Patient mit kurzem Beratungsanlass, am selben Tag: 
gelb (Akutsprechstunde, 5 Min.)
  • Patienten ohne dringlichen Beratungsanlass (Regeltermin): grün (10 Min.); für länger dauernde Behandlungen (Sonographien, Vorsorgen, psychosomatische Gespräche) zwei Termine im Kalender belegen


Reihenfolge, in der Patienten, die die Praxis aufsuchen, versorgt werden sollten:

1. Notfall (echter)

2. Terminpatient

3. Patient ohne Termin mit akuten/schweren Beschwerden

4. Patient ohne Termin mit Bagatellanlass

5. Chronischer Patient ohne Termin mit "Erziehungsbedarf"

Quelle: C. Kahle, R. Deecke


Check-up-Termine gibt es nur mit Vorlauf. "Habe jetzt Zeit, das Bonusheft voll zu machen" – auf die Tour kommt keiner an die Reihe. Spezialsprechstunden, z.B. nur für HzV- oder DMP-Teilnehmer, Reiseberatung, IGeL, Privatversicherte, sind bei den Seminarteilnehmern nicht verbreitet. Allerdings sind feste Telefonsprechstunden, etwa um Laborergebnisse mitzuteilen, üblich.

Unschön ist es, wenn sich die Kollegen im Ort nicht über Abwesenheiten und Vertretungen absprechen; unkollegiale Praxen begnügen sich mit einem Fax "Sind im Urlaub", berichtet Ruth Deecke. Bei ihr in der Praxis werden Termine von MFA oder Ärztin nur inklusive Kürzel im Kalender eingetragen. Dasselbe gilt für die Dokumentation.

Dies dient dem Fehlermanagement, weil so später nachvollzogen werden kann, wer etwas verbockt hat oder zu loben ist. In Deeckes Praxis wird darauf Wert gelegt, dass jede MFA jeden Arbeitsbereich übernehmen kann. Allerdings plant die Ärztin nächstes Jahr eine Verah auszubilden, die dann z.B. Haus- und Heimbesuche für Kontrollen übernimmt.

Deecke schätzt den Gewinn an Freiheit, den ihr die Praxis im Vergleich zur Klinik, wo es auch viel Papierkram zu erledigen gab, bietet. Um pünktlich nach Sprechstundenschluss zu ihrer Familie zu kommen, scheut sie sich nicht, Arbeit mitzunehmen, die sie von zu Hause aus erledigen kann.


Quelle: 10. IhF-Fortbildungskongress

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