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Cannabis bekommt Leitlinie

Medizin und Markt Autor: Andreas Häckel

Trotz Kontrolle ist bei gerauchten oder vernebelten Blüten die Pharmakokinetik kaum auf dem gleichen Level zu halten. Trotz Kontrolle ist bei gerauchten oder vernebelten Blüten die Pharmakokinetik kaum auf dem gleichen Level zu halten. © iStock/Nastasic
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Seit zwei Jahren ist das Cannabisgesetz in Kraft, doch weiterhin herrscht große Verunsicherung über den richtigen Einsatz des Hanfs. Jetzt umreißt eine Praxisleitlinie* wichtige Indikationen und Anwendungsprinzipien.

Zentrale Indikationen mit höchster Empfehlungsstufe (A) für Cannabinoide sind chronische Schmerzen unabhängig von deren Genese, Tumorschmerzen, (schmerzhafte) Spastiken bei MS sowie speziell neuropathische Schmerzen, sagte der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin (DGS), Dr. Johannes Horlemann, Kevelaer.

Hanfpflanze ersetzt keine sinnvolle Initialtherapie

Als weitere Anwendungsbereiche mit der Empfehlungsstufe B nannte er Untergewicht/ Appetitlosigkeit/ Kachexie insbesondere bei HIV-Patienten, chemotherapiebedingte Übelkeit und Erbrechen sowie den Morbus Crohn. Hier lindern Cannabinoide nachweislich Beschwerden, erhöhen das Körpergewicht und bessern die Lebensqualität.

Schließlich können auch Schlafstörungen bei chronischem Schmerz, viszeraler und rheumatologisch bedingter Schmerz sowie Fibromyalgie und Muskelschmerz eine Cannabis-Gabe sinnvoll erscheinen lassen (Empfehlungsstufe C). Fest steht aber: Die Hanfplanze ersetzt keine sinnvolle Initialtherapie, sondern stellt eine Add-on-Maßnahme dar.

Die Erstattung durch die gesetzlichen Krankenkassen setzt folgende Bedingungen voraus:

  • es muss eine schwerwiegende Erkrankung bestehen, ohne Kontraindikationen wie Schwangerschaft oder vorbekannte Psychosen
  • es liegt eine begründete Aussicht auf Symptomverbesserung vor
  • gängige Standardtherapien wurden bereits ausgeschöpft

Am letzten Punkt scheitern die meis­ten Ablehnungen der Erstattung, erklärte Dr. Horlemann.

In der praktischen Anwendung favorisieren die Experten eindeutig orale Zubereitungen wie Dronabinol. Wegen ihrer längeren Wirkdauer und einer stabileren Pharmakokinetik eignen sie sich in jedem Fall besser für chronische Schmerzpatienten als gerauchte oder vernebelte Blüten bzw. Präparate zum Sprayen, denn „wir brauchen hier überlappende Galeniken über einen Tag und eine Nacht“, so Dr. Horlemann.

* DGS-Praxisleitlinie Cannabis in der Schmerztherapie

Quelle: Pressekonferenz „Sind Cannabinoide in der Versorgungsrealität angekommen?“ anlässlich des Deutschen Schmerz- und Palliativtags 2019; Veranstalter: Bionorica