Insektengiftallergie

Definition

Als Insektengiftallergie werden allergische Reaktionen auf das Gift bestimmter Insekten bezeichnet. Meist manifestieren sie sich als gesteigerte Lokalreaktionen (bis zu 25 % der Bevölkerung), oder aber als systemischische Soforttypreaktion (Anaphylaxie, bis zu 3,5 % der Bevölkerung. Damit ist die Insektengiftallergie in Deutschland bei Erwachsenen die häufigste Ursache für eine Anaphylaxie.

In der Regel handelt es sich um Bienen- und Wespenstiche, die eine allergische Reaktion hervorrufen. Seltener sind Probleme nach Hummel- und Hornissenstichen.

In Deutschland treten jährlich etwa 20 Todesfälle nach Kontakt mit Bienen, Wespen oder Hummeln auf, die Dunkelziffer könnte aber höher sein.

Personen mit häufiger Expostion (z.B. Imker, Obst- und Bäckereiverkäufer) haben ein erhöhtes Risiko für eine Insektengiftallergie.

Risikofaktoren für besonders schwere anaphylaktische Reaktionen sind:

  • schwere Stichreaktionen in der Anamnese
  • höheres Alter (etwa ab 40 Jahre)
  • kardiovaskuläre Erkrankung
  • Asthma
  • bestimmte Pharmaka (z.B. ß-Blocker, ACE-Hemmer, evtl. NSAR)
  • körperliche oder psychische Belastungssituationen
  • Mastozytose
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Symptomatik

Als normale örtliche Reaktion auf Bienen- und Wespenstiche gilt eine schmerzhafte Rötung und Schwellung an der Stichstelle, die meist einen Durchmesser von weniger als 10 cm hat und innerhalb von einem Tag deutlich abklingt.

Gesteigerte örtliche Reaktion

  • mehr als 10 cm große erythematöse, meist schmerzhafte Schwellung
  • Persistenz > 24 Stunden
  • evtl. nicht-infektiöse Lymphangiitis
  • evtl. milde Allgemeinsymptome wie Krankheitsgefühl oder Frösteln
  • vermutlich allergisch, aber nicht unbedingt IgE-vermittelt

Systemische Sorforttypreaktion (Anaphylaxie)

Man unterscheidet verschiedene Schwergrade:

Grad I:

Haut: Juckreiz, Flush, Urtikaria, Angioödem

Grad II:

Haut: Juckreiz, Flush, Urtikaria, Angioödem

Abdomen: Nausea, Krämpfe

Respirationstrakt: Rhinorrhoe, Heiserkeit, Dyspnoe

Herz-Kreislaufsystem: Tachykardie (Anstieg ≥ 20/min), Hypotonie (Abfall systolisch ≥ 20 mmHg)

Grad III:

Haut: Juckreiz, Flush, Urtikaria, Angioödem

Abdomen: Erbrechen Defäkation

Respirationstrakt: Larynxödem, Bronchospasmus, Zyanose

Herz-Kreislaufsystem: Schock

Grad IV

Haut: Juckreiz, Flush, Urtikaria, Angioödem

Abdomen: Erbrechen Defäkation

Respirationstrakt: Atemstillstand

Herz-Kreislaufsystem: Kreislaufstillstand

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Untersuchung

Die Befunde der körperlichen Untersuchung hängen von der jeweiligen Manifestation ab.

Bei typischen örtlichen Reaktionen ohne Allgemeinsymptome ist keine weitere Diagnostik erforderlich.
 

 

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Labor

Bei der Anamnese werden Anzahl, Symptome und Ablauf der Stichreaktionen, die jeweiligen Umstände und die Angaben des Patienten zum stechenden Insekt erfasst. Weiterhin wird nach individuellen Risikofaktoren für wiederholte Reaktionen und schwere Anaphylaxien gefragt.

Ohne systemische Soforttypreaktionen sollten keine allergologischen Tests durchgeführt werden.

Ansonsten erfolgt eine allergologische Abklärung einmal in der ersten Woche und ein zweites Mal 4–6 Wochen nach dem Stich.

Hauttests

Zur Ermittlung der Reaktionsschwelle sollte zuerst ein Pricktest mit verschiedenen Giftkonzentrationen durchgeführt werden. Kommt es hier zu keiner Reaktion, erfolgt ein Intradermaltest. Bei Patienten mit sehr schweren Stichreaktionen oder besonderer Gefährdung sollte vor dem Test ein intravenöser Zugang gelegt und ausreichend lange nachbeobachtet werden.  

Spezifische IgE-Antikörper im Serum

Zusätzlich werden spezifische IgE-Antikörper gegen Bienen- und Wespengesamtgift (falls erfoderlich auch gegen andere Insektenallergene) bestimmt.

Die Konzentration der IgE-Antikörper steigt oft einige Tage bis Wochen nach dem Stich durch eine Boosterung deutlich an. Dies kann unter Umständen bei der Identifizierung des auslösenden Insekts helfen.

Basale Serumtryptase-Konzentration (bST)

Bei Erwachsenen mit systemsichen Soforttypreaktionen und Kindern mit besonders schweren Reaktionen sollte die bST bestimm werden. Erhöhte Konzentrationen geghen mit einem erhöhten Risiko für schwere Reaktionen einher und es besthet häufig eine Mastozytose.

Diagnostische Stichprovokation

Bei nicht hyposensibilisierten Patienten sollten aufgrund des zu hohen Risikos keine Stichprovokationen mit lebenden Insekten durchgeführt werden.

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Differenzialdiagnostik

An erster Stelle muss ausgeschlussen werden, dass es sich um eine noch normale Reaktion auf einen Insektenstich handelt.

Aufgrund der typischen Anamnese mit Insektenstich als Auslöser ist die Diagnose in der Regel klar. (siehe auch Anaphylaxie)

 

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Eine Anaphylaxie erfordert die zügige Gabe von Adrenalin. Doch dieser therapeutische Goldstandard wird offenbar noch unzureichend umgesetzt.

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Pharmakotherapie und nichtinvasive Therapie

Örtliche Reaktion:

  • stark wirksames topisches Glukokortikoid (ggf. zusätzlich kühlender feuchter Umschlag)
  • orales Antihistaminikum
  • bei gesteigerter Reaktion evtl. kurzfristig orales Glukokortikoid (0,5-1 mg Prednisolonäquivalent pro kg KG)

Systemische Reaktionen

  • siehe Behandlung Anaphylaxie

Langfristige Therapie

wesentliche Komponenten sind: Allergenvermeidung, Selbsthilfemaßnahmen bei erneutem Stich, spezifische Immuntherapie (SIT) bei Anaphylaxie.

Jeder Patient mit Anaphylaxie sollte mit einem Notfallset ausgerüstet und in der Anwendung geschult werden. Dazu gehört:

  • schnellwirksames orales Antihistaminikum (einzunehmen als 2-4-fache Tagesdosis)
  • orales Glukokortikoid (Erwachsene 100 mg Prednisolonäquivalent)
  • Adrenalin-Autoinjektor
  • bei Asthma schnell wirksames inhalatives Beta-2-Sympathomimetikum

 Spezifische Immuntherapie

Die Indiaktion ist gegeben bei:

  • allen Patienten mit Bienen- oder Wespenstichanaphylaxie vom Schwergrad ≥ II oder bei Stichreaktionen vom Schwergrad I mit zusätzlichen Risikofaktoren oder Einschränkungen der Lebensqaulität

plus

Nachweis der Sensibilisierung auf das auslösende Gift

Die SIT kann bei Patienten ohne Risikofaktoren beendet werden, wenn folgende Voaussetzungen erfüllt sind:

  • Erhaltungstherapie über mindestens 3-5 Jahre
  • Injektionen wurden ohne systemsiche anaphylaktische Reaktionen vertragen
  • Stich des ursächlichen Insekts (bevorzugt Stickprovokation) führte zu keiner systemischen Reaktion

 

 

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Prävention

Einzige mögliche Präventionsmaßnahm ist die Vermeidung der Insektenstiche. Dazu gehören z.B.

  • kein Verzehr von Speisen und Getränken im Freien
  • kein Obst- oder Blumenpflücken
  • kein Aufenthalt in der Nähe von Abfalleimern, Tiergehegen, Fallobst
  • Verzicht auf Parfum oder parfümierte Kosmetika
  • nach dem Essen Hände waschen und Mund abwischen
  • nicht aus Flaschen oder Dosen trinken, Gläser abdecken, Strohalme benutzen
  • Insekten nicht von Futterqeullen verscheuchen
  • Fenster durch Insektengitter schützen

Repellentien bieten keinen Schutz vor Bienen und Wespen.

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Notfallmanagement

Verhalten bei erneutem Stich:

  • Ruhe bewahren
  • Menschen in der Umgebung über den Stich und mögliche Folgen informieren
  • einen in der Haut verbliebenden Stachel sofort entfernen
  • unverzüglich ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen (außer bei erfolgreicher Hyposensibilisierung)

Medikamentöse Erstmaßnahmen:

  • Sofort nach Stich verordnetes Antihistaminikum und Kortisonpräparat einnehmen
  • bei Atemnot, Schwellung im Mund-Rachen-Bereich oder Kreislaufbeschwerden Adrenalin injizieren

 

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