Nahrungsmittelallergie

Definition

Die IgE-vermittelte Nahrungsmittelallergie lässt sich in die primäre und sekundäre Allergie einteilen.

Primäre Nahrungsmittelallergie:

  • beruht auf einer Sensibilisierung auf überwiegend stabile Nahrungsmittelbestandteile (Glykoproteine)
  • Kinder sind häufiger betroffen als Erwachsene

Sekundäre Nahrungsmittelallergie:

  • ensteht durch eine Sensibilisierung gegenüber Aeroallergen (z.B. Pollen)
  • anschließenden Reaktionen (sog. Kreuzallergien) auf strukturverwandte, häufig instabile Allergene in (pflanzlichen) Lebensmitteln
  • vor allem bei Jugendlichen und Erwachsenen

Man geht davon aus, dass ca. 4 % der Bevölkerung an bestätigten Nahrungsmittelallergien leiden. Die Rate an selbst berichteten Nahrungsmittelallergien ist um den Faktor sechs höher.

Während bei Kindern vor allem Kuhmilch, Hühnereier, Erdnüsse, Weizen, Nüsse, Soja und Fisch Allergien auslösen, spielen bei Jugendlichen und Erwachsenen pollenassoziierte Nahrungsmittelallergene (z.B. Apfel, Nüsse, Soja, Sellerie, Karotte, Paprika, Gewürze), Nüsse und Ölsaaten (z.B. Sesam), Erdnuss, Fisch und Krustentiere, Kuhmilch, Hühnerei, latexassoziierte Nahrungsmittelallergene (z.B. Banane, Avocado, Kiwi, Feige) und Säugetierfleisch eine Rolle.

Die frühkindliche Milcheiweißallergie hat eine gute Prognose – in der Regel kommt es zu einer spontanen Toleranzentwicklung. Baumnuss- und Erdnussallergien persistieren dagegen oft bis ins Erwachsenenalter.

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Symptomatik

Nahrungsmittelallergien können sehr vielfältige Symptome an unterschiedlichen Organsystemen aufweisen:

Kreislauf

  • Schock
  • Hypotension
  • Tachykardie (selten Bradykardie bei Anaphylaxie)
  • Benommenheit, Schwindel
  • Synkope

Haut

  • (flüchtiges) Erythem ( „flush“)
  • Ekzem(-verschlechterung)
  • Urtikaria
  • Juckreiz
  • Angioödem
  • Exanthem

Augen

  • Juckreiz
  • Rötung (konjunktivale Injektionen)
  • Tränenfluss
  • periorbitales Ödem

Oberer Respirationstrakt

  • nasale Kongestion
  • Juckreiz
  • Schnupfen (Rhinorrhö)
  • Larynxödem, Stridor
  • Heiserkeit
  • trockener Husten

Unterer Respirationstrakt

  • Husten
  • thorakales Engegefühl
  • Schweratmigkeit, Atemnot (Dyspnoe)
  • pfeifende Atemgeräusche (Giemen)
  • Zyanose

Oropharynx

  • Schwellungen der Lippen, Zunge und/oder des Gaumens (Angioödeme)
  • oraler und/oder pharyngealer Juckreiz (Pruritus)
  • Zungenschwellung

Gastrointestinaltrakt

  • Übelkeit
  • Erbrechen
  • kolikartige Bauchschmerzen
  • gastroösophagealer Reflux (GÖR)
  • Diarrhö 

Am häufigsten sind Haut und Schleimhäute betroffen – weniger häufig Magen-Darm-Trakt, Atemwege und Herz-Kreislaufsystem. Im schlimmsten Fall kann es zu einer lebensbedrohlichen Anaphylaxie kommen.

Bei sekundären Kreuzallergien überwiegen oropharyngealer Juckreiz und mildes auf die Mundhöhle beschränktes Ödem, systemsiche Reaktionen sind selten.

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Untersuchung

Entscheidene Hinweise auf den Zusammenhang der Symptome mit dem Verzehr bestimmter Allergene gibt die Anamnese, ggf. ergänzt durch eine Ernährungs- und Symptomprotokoll.

Der körperliche Untersuchungsbefund hängt von der jeweiligen Manifestation ab.

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Labor

Wesentlicher Schlüssel zur Diagnose ist die Anamnese – ggf. ergänzt durch Ernährungs- und Symptomprotokolle. Untertützt werden kann die Verdachtsdiagnose durch eine diagnostische Eliminationsdiät (nicht länger als 1–2 Wochen). Bei längerfristiger Elimination kann das Risiko für Sofortreaktionen bei Wiedereinführung erhöht sein.

Zur Bestätigung der IgE-Sensibilisierung gegen ein bestimmtes Nahrungsmittelallergen dienen Hauttest (Pricktest) und der Nachweis spezifischer IgE-Antikörper gegen Nahrungsbestandteile im Serum. Nur die Hälfte der nachweisbaren atopischen Sensibilisierungen sind aber wirklich mit Symptomen assoziiert und damit klinisch relevant.

Nur bei eindeutiger Übereinstimmung der klinischen Angaben des Patienten und dem Testergebnis (Pricktest/IgE-Bestimmung) kann daher eine Nahrungsmittelallergie diagnostiziert bzw. ausgeschlossen werden.

Um die Diagnose einer Nahrungsmittelallergie wirklich zu sichern (oder eine Toleranz nachzuweisen), ist als Goldstandard ein oraler Provokationstest erforderlich.

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Differenzialdiagnostik

Aufgrund der vielfältigen Symptomatik kommen zahlreichen Differenzialdiagnosen in Frage.

Bei gastrointestinalen Beschwerden muss vor allem an folgende Erkrankungen gedacht werden:

  • chronisch-entzündliche Darmerkrankungen
  • Kohlenhydratverwertungsstörungen (-malabsorptionen), wie z.B. Laktose- oder Fruktoseintoleranz
  • Zöliakie
  • andere Nahrungsmittelunverträglichkeiten
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Pharmakotherapie und nichtinvasive Therapie

Wichtigste Maßnahme ist der Verzicht auf die auslösenden Lebensmittel. Umfangreiche und langfristige Karenzmaßnahmen sollten aber sorgfältig überwacht werden, da sie mit einer unzureichenden Nährstoffversorgung und starken Einschränkungen der Lebensqualität einhergehen können.

Die klinsche Relevanz der Allergie sollte regelmäßig überprüft werden. Die gilt besonders für die Kuhmilch- und Hühnereiallergie im Kindesalter. Bei jüngeren Kindern sollte hier eine Reevaluation mittels Provokationstest im Abstand von 6–12 Monaten erfolgen, bei älteren Kindern im Abstand von 12–18 Monaten.

Akuttherapie der Nahrungsmittelallergie

Bei akuten, nicht lebensbedrohlichen Symptomen (besonders bei Urtikaria und Schleimhautreaktionen) können orale Antihistaminika eingesetzt werden – alternativ auch orale Glukortikoide. Die prophylaktische Gabe von Antihistaminika kann nicht empfohlen werden.

Schwere allergische Reaktion sollten primär mit intramuskulären Adrenalin-Injektionen behandelt werden werden (siehe auch Therapie der Anaphylaxie).

Spezifische Immuntherapie (SIT)

Die orale, sublinguale oder subkuten SIT mit Nahrungsmittelallergenen sollte bei der primären Nahrungsmittelallergie zurzeit nur im Rahmen klinischer Studien eingesetzt werden.

Pollen-assoziierte Nahrungsmittelallergien können mit einer sublingualen oder subkutanen SIT gegen Pollen behandelt werden, wenn gleichzeitig pollenbedingte Atemwegsbeschwerden bestehen.

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Prävention

Zur Allergie-Prävention werden empfohlen:

  • ausschließliches Stillen über die ersten vier Monate (alternativ hypoallergene Säuglingsnahrung)
  • keine diätetischen Restriktionen in der Schwangerschaft oder beim Kind zur Primärprävention
  • keine Verzögerung von Beikost
  • Verzehr von Fisch von Schwangeren und Kindern
  • Vermeidung von Übergewicht/Fettleibigkeit
  • keine Anschaffung von Katzen bei Risikokindern
  • Vermeidung eines Innraumklimas, das Schimmelbildung begünstigt
  • Vermeidung einer Expostion gegenüber Tabakrauch (aktiv und passiv)
  • möglichst Verzicht auf Kaiserschnittgeburt
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