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Der Sturm im Spermaglas

Autor: Erich Kögler

Laut Statistischem Bundesamt ist der langjährige Trend zur Kinderlosigkeit hierzulande gestoppt! Laut Statistischem Bundesamt ist der langjährige Trend zur Kinderlosigkeit hierzulande gestoppt! © Fotolia/vchalup
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Die zunehmende Zeugungsunfähigkeit der Westler? - in unserer Meinungskolumne "Mit spitzer Feder".

Nur ein Spermium von Millionen erreicht das Ziel seines Weges zur Eizelle: deren Befruchtung. Seine unzähligen „Kumpels“ sterben namenlos und unverrichteter Dinge ab. Eigentlich ein ausgeklügeltes System, das Mutter Natur geboten hat, um das Fortpflanzen unserer Art mit Millionen Plan-B-Alternativen sicherzustellen. Nun aber scheint dieses ausgeklügelte System und damit der Erhalt unserer Art gefährdet, legt eine aktuelle Studie zum Rückgang der Spermienanzahl nahe. Nun ja, zumindest in den westlichen Industrienationen. Ein Grund für schlaflose Nächte? Nicht unbedingt. Laut Statistischem Bundesamt ist der langjährige Trend zur Kinderlosigkeit hierzulande gestoppt! Von einem regelrechten Kindersegen kann zwar trotzdem keine Rede sein, dennoch bleibt festzuhalten: So viele Kinder wie derzeit haben die Deutschen seit mehr als dreißig Jahren nicht bekommen.

„Spermien alternder Westler von geringerer Qualität? Früher anfangen!“

Dennoch ist derzeit in den Medien viel von der „Spermienkrise“ in westlichen Ländern zu lesen. Demzufolge geht die Zahl der Spermien von Männern aus Euro­pa und anderen Regionen immer weiter zurück. Die von israelischen Forschern in der Fachzeitschrift „Human Reproduction Update“ veröffentlichten Daten zeigen, dass die Zahl von Spermien pro Milliliter Sperma bei Männern aus Nord­amerika, Europa, Australien und Neuseeland zwischen 1973 und 2011 um insgesamt 52,4 Prozent gesunken ist. Für den Rest der Welt gilt diese Tendenz scheinbar nicht.

Was denn also nun? Müssen wir uns auf einen neuen Babyboom einstellen oder sind wir Westler vom Aussterben bedroht? Die vorsichtige Entwarnung an der Sperma-Front ließ nicht lange auf sich warten. Andere Forscher gaben nämlich rasch zu bedenken, dass die Spermienanzahl zwar maßgeblich bei der Beurteilung der Zeugungsfähigkeit sei – allerdings spiele auch eine Rolle, wie beweglich die Spermien seien und ob sie vielleicht missgebildet seien. Und genau dies sei in der Studie nicht betrachtet worden. Hier gilt es genauer hinzuschauen: Als Ursachen für die Abnahme der Spermienanzahl kommen zahlreiche Auslöser von der zu warmen Windel bei Säuglingen über regelmäßige Aspirin-Einnahme bis hin zum Handy in der Hosentasche in Betracht.

Sie sehen überdies einen wichtigen Grund für abnehmende Zeugungsfähigkeit darin, dass Männer heute viel später eine Familie gründen, denn die Spermienqualität sinkt mit steigendem Alter. Deshalb müsse bei einem Kinderwunsch auch immer häufiger mit künstlicher Befruchtung nachgeholfen werden.

„Westliche Industrienationen sind doch (noch) nicht dem sicheren Untergang geweiht“

Endgültig für Beruhigung um ihre Zeugungsfähigkeit besorgter Männer sorgte eine Woche später die „Deutsche Gesellschaft für Urologie“ mit ihrem Kommentar, sie sehe die Fortpflanzung in westlichen Industrienationen „nicht akut gefährdet“ – die in der Studie aufgezeigten Veränderungen lägen alle „in einem hochnormalen Bereich“. April, April also im August, alles nur ein Sturm im Wasser- beziehungsweise im Spermaglas.

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