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Pille oder Hormonspirale? Jeder dritte Gynäkologe fiel bei der Beratung durch

Speakers' Corner Autor: Christoph Kranich

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Speakers Corner: Ein Platz für Themen, über die Sie sich aufregen. Christoph Kranich von der Abteilung Gesundheit und Patientenschutz der Verbraucherzentrale Hamburg beschwert sich über die mangelnde Beratung zu Verhütung.

Frauenärzte im Test: Nur gut ein Drittel besteht!

Wie gut beraten Frauenärzte zur Verhütung mit Pille oder Hormonspirale? Das haben wir zusammen mit dem ZDF bei 28 zufällig ausgewählten Gynäkologenpraxen in Berlin untersucht. Ergebnis: 36 % der Frauenärzte fielen bei unserem Test durch.

Vor allem haperte es an der Aufklärung über Risiken, in erster Linie hinsichtlich einer Thrombose. Nur gut 70 % der Ärzte erfragten eine diesbezügliche familiäre Vorbelastung. Gegenüber den zwei Test-Patientinnen wurde wie folgt oder ähnlich beraten: „Ihre Tante hatte eine Thrombose? Nicht so schlimm. Nur wenn Vater oder Mutter betroffen wären, müssten Sie vielleicht mit der Pille vorsichtig sein.“ Dabei steigt durch Anti-Baby-Pillen der neuesten Generation das Thromboseri siko und damit die Gefahr einer lebensgefährlichen Gefäßverstopfung. Noch viel seltener erwähnten die Frauenärzte den Risikofaktor Migräne mit Aura.

Wenig unabhängiges Begleitmaterial

Dabei stellt die Rechtsprechung an die Beratung von Gesunden die allerhöchsten Anforderungen. Jedes Risiko muss deutlich genannt und den Patientinnen die Wahl zwischen Nutzen und Risiken überlassen werden. Aber auch aus ethischen Gründen sollte natürlich kein Arzt durch unvollständige oder tendenziöse Aufklärung eine Schädigung junger und gesunder Frauen riskieren. Für die schlechten Ergebnisse ist übrigens nicht der Zeitmangel verantwortlich. Durchschnittlich waren unsere Testpersonen 14 Minuten im Sprechzimmer. Und Ärzte, die wenig Zeit hatten, berieten zum Teil sogar besser als jene, die lang und viel redeten. Der beste Arzt im Test brauchte eine Minute weniger als der viertschlechteste.

Wichtig ist auch das Begleitmaterial zur mündlichen Aufklärung, denn erfahrungsgemäß wird ein Teil des Gesagten von Patienten bald vergessen. Statt ihren Patientinnen Werbematerial der Pharmaindustrie mitzugeben – das geschah in mehr als einem Drittel unserer Arztbesuche – könnten mehr Gynäkologen neutrale Akteure wie Pro Familia oder die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) als Informationsquellen empfehlen oder deren Broschüren auch direkt weitergeben. Bei unserer Umfrage zeigte sich, dass gerade einmal 18 % der Ärzte Material von unabhängigen Stellen an die Patientin weiterreichten. Zum Schluss bleibt zu hoffen, dass die zum Jahresende angekündigte S3-Leitlinie „Empfängnisverhütung“ der AWMF den Schutz der Patientinnen und nicht die Nachlässigkeit der Ärzte fördert.

Weitere Informationen zum Thema

Mehr zum Test der Verhütungsberatung Berliner Gynäkologen findet sich hier:
vzHH: Öffnet externen Link in neuem Fensterhttp://bit.ly/2alYEgO
ZDF-Frontal21: Öffnet externen Link in neuem Fensterhttp://bit.ly/29Vz4Pd

Christoph Kranich
Abteilung Gesundheit 
und Patientenschutz, 
Verbraucherzentrale 
Hamburg

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