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SPD-Pläne zur Bürgerversicherung: System auf 20 Jahre finanzierbar

Gesundheitspolitik Autor: Cornelia Kolbeck

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Aufgrund der aus ihrer Sicht zu erwartenden politischen Mehrheitsverhältnisse rechnet die SPD bereits jetzt mit der Einführung der Bürgerversicherung nach der nächsten Bundestagswahl.

Bürgerversicherung heißt für die SPD auch: Die Private Krankenversicherung (PKV) in der jetzigen Form nach und nach abgeschafft wird. Jeder Bürger, der sich neu krankenversichert, wird automatisch Mitglied in der Bürgerversicherung. Wer der PKV angehört, kann in diese wechseln, wobei die privaten Versicherer dann neben den Zusatzversicherungen im Rahmen eines neuen Geschäftsfeldes auch eine Bürgerversicherung anbieten können. Alle Einkommen über 400,01 Euro werden beitragspflichtig, das heißt, auch die der bisher freiwillig versicherten Selbstständigen.

Bürgerversicherung kann jetzt sofort starten

SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles, MdB, und Professor Dr. Karl Lauterbach, gesundheitspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, präsentierten in Berlin das Modell. Die Pläne seien rechtlich und haushalterisch so ausgearbeitet, dass die Bürgerversicherung sofort eingeführt werden könne, sagte Prof. Lauterbach. Im Prinzip sei sie „scharfgestellt worden“. Auch aus verfassungsrechtlicher Sicht wähnen sich die Politiker auf der sicheren Seite, da Verfassungsspezialisten die Ausarbeitung begleitet haben.

Die Bürgerversicherung wird, wie Andrea Nahles erklärte, als Alternative zu Zusatzbeitrag und einseitiger Belastung der Arbeitnehmer gesehen. Mit ihr würden die Parität und somit die Gerechtigkeit wiederhergestellt. Sie sei „realistisch, finanzierbar und zukunftsfähig“, unter anderem weil sie an einen dynamisierten Steuerzuschuss gekoppelt ist, der überproportionalen Beitragssteigerungen entgegenwirkt.

Gerechnet wird mit einem Steuerzuschuss von bis zu 20 Mrd. Euro. Prof. Lauterbach geht davon aus, dass so selbst bei einem Kostenanstieg von rund 4 % pro Jahr das Gesundheitssystem mindestens für 20 bis 25 Jahre – bis die Baby-Boomer-Generation in Rente gehen wird – finanzierbar sein wird.

Das SPD-Konzept geht von einem Beitragssatz aus, der für Arbeitnehmer bei etwa 7,6 % (jetzt 8,2 %) und für Arbeitgeber bei etwa 7,1 % (jetzt 7,3 %) liegen wird. Der Arbeitgeberanteil berechnet sich als prozentua­ler Anteil an der Lohnsumme des Unternehmens, wobei hier keine Beitragsbemessungsgrenze mehr Grenzen setzt. Im Gegensatz zu heute wird dann das gesamte Einkommen herangezogen, also auch Boni und Sonderausschüttungen.

Das trifft vor allem Unternehmen mit hohen Löhnen deutlich, nicht so Dienstleistungsunternehmen, deren Löhne bisher schon unter der Beitragsbemessungsgrenze liegen. Prof. Lauterbach spricht von Zusatzbelastungen der Unternehmen bei Einführung der Bürgerversicherung von 5 Mrd. Euro.

Für die Arbeitnehmer soll jährlich, eventuell auch halbjährlich, ein Durchschnittsbeitrag berechnet werden. Einen Einheitsbeitrag wird es für die Versicherten dennoch nicht geben, denn die SPD will mehr Wettbewerb ins System bringen, indem Krankenkassen wieder mehr Spielräume bekommen. Sie dürfen ihre Beitragssätze je nach Bedarf anpassen. Der dynamisierte Steuerzuschuss sorgt zugleich dafür, dass die Beitragssätze nicht zu stark angehoben werden müssen.

Die Umsetzung hängt aber von Mehrheiten ab

Im Juni will die SPD den Abschlussbericht zur Bürgerversicherung inklusive Zahlen und Modellberechnungen vorlegen. Ob sich der Plan letztendlich in die Tat umsetzen lässt, hängt jedoch nicht nur vom Wahlausgang, sondern gegebenenfalls auch vom späteren Koalitionspartner ab.

Mit Bündnis 90/Die Grünen im Bunde dürfte es zumindest noch Gesprächsbedarf geben, denn diese Partei will bei ihrer Bürgerversicherung alle Einkommensarten einbezogen sehen, also auch Mieteinnahmen und Kapitalerträge. Die SPD will das so nicht. Es sei die „Achillesferse des Systems“, erklärte Prof. Lauterbach, denn es belaste die mittleren Einkommen stark. „Und wir wollen die Krankenkassen nicht zu Finanzämtern machen“, so Andrea Nahles.

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