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Versorgungsstärkungsverträge: Kodierungsärger verraucht nicht

Gesundheitspolitik Autor: Ruth Bahners

Diagnosekodierung leicht gemacht. Das Bundesversicherungsamt schaut da genauer hin. Diagnosekodierung leicht gemacht. Das Bundesversicherungsamt schaut da genauer hin. © iStock.com/Gam1983
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Das Bundesversicherungsamt und die Landesbehörden gehen weiter konsequent beim Verdacht der Kodierungsoptimierung gegen Krankenkassen vor. Jüngstes Beispiel sind die Versorgungsstärkungsverträge in Nordrhein. Sie sind schon am Ende, bevor sie richtig losgegangen sind.

Als „Gezeitenwechsel“ hatte Dr. Carsten König, Vorstand der KV Nordrhein, die neuen Verträge Anfang 2018 angekündigt. Und jetzt ist Ebbe. Das Bundesversicherungsamt (BVA) hat den Vertrag mit der Techniker Krankenkasse (TK) beanstandet und das Landesversicherungsamt den mit der AOK Rheinland/Hamburg.

Die Verträge seien „immer noch zu stark auf die Gewinnung von Dia­gnosen ausgerichtet, die mit erhöhten Zuweisungen aus dem Risikostrukturausgleich verbunden sind“, erklärt das Landesgesundheitsministerium. Sie seien daher zu beanstanden und auf eine außerordentliche Kündigung sei hinzuwirken.

Dieser Entscheidung vorausgegangen war eine Sitzung des BVA und der Länderbehörden in Bonn. Dabei wurde „einstimmig“, wie das BVA mitteilt, der Beschluss gefasst, dass auch die neuen Versorgungsstärkungsverträge „nicht zulässig sind“. Es seien Vergütungspauschalen für Ärzte vorgesehen, die sich nach der Anzahl der dokumentierten Diagnosen richten. Die vertraglich festgelegte Auswahl der Diagnosen sei relevant für die Zuwendungen aus dem Risikostrukturausgleich. „Einigen Kassen scheint weiterhin das Bewusstsein zu fehlen, dass sie als öffentlich-rechtliche Körperschaften in einem Solidarsystem agieren“, urteilt BVA-Präsident Frank Plate. Es könne niemals Aufgabe einer Krankenkasse sein, in einen Wettbewerb um Zuweisungen aus dem Morbi-RSA zu treten. Die Aufsichtsbehörden hätten daher vereinbart, auf eine außerordentliche Kündigung der betroffenen Verträge hinzuwirken.

Die KV teilt diese Bedenken nicht. Sie sieht die Verträge nach wie vor als „rechtskonform“ an. Es sei die Politik, die keine befriedigende Lösung für den Risikostrukturausgleich und die Ausein­andersetzungen innerhalb der Krankenkassen gefunden habe. „Dieser Zustand ist unerträglich“, so KV-Chef Dr. Frank Bergmann.

Auch betroffene Hausärzte, wie Hans-Peter Meuser aus Mettmann, reagieren mit Unverständnis. „Die Patienten mit den schwierigen Diagnosen bleiben auf der Strecke. Will man das ändern und finanzielle Anreize setzen, dass Ärzte sich doch mit diesen Patienten abgeben, muss man eine Messgröße haben – und die einfachste ist die Diagnosekodierung.“ Das Wesentliche der Versorgungsstärkungsverträge seien die Zuschläge zu den nicht kostendeckenden Haus- und Altenheimbesuchen. „Welche alternativen Kenngrößen als die Diagnosen schweben den Aufsichtsbehörden denn vor, um den Mehraufwand bei bestimmten Diagnosen zu erfassen?“, fragt Meuser.

Nach Auffassung der TK zwingt die „unfaire Ausgestaltung des Risikostrukturausgleichs“ alle Krankenkassen, bei ihren Verträgen „auch die richtige Kodierung der Diagnosen ihrer Versicherten zu berücksichtigen“. Die TK werde die Rechtsauffassung des BVA akzeptieren, doch diese müsse auch gegenüber den AOKen durchgesetzt werden.

Aufsicht hakt wegen Software in Selektivverträgen nach

Andere Kassen hat das BVA auf dem Kieker, weil diese in ihren Selektivverträgen den Einsatz von Software vereinbart haben sollen, die den Ärzten Vorschläge zur Optimierung der Kodierung macht. Im Herbst 2017 hätten rund drei Viertel der Kassen solche Verträge gegenüber dem BVA angezeigt. Ein Großteil davon habe eine rechtskonforme Umsetzung zugesichert. „Mit den anderen Kassen befindet sich das BVA derzeit im aufsichtsrechtlichen Dialog“, teilt die Behörde mit. Darunter soll auch die KKH sein.

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