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Hausbesuch mit dem Tablet: Auf Tour mit der „Tele-NäPa“

Praxismanagement , Praxisführung Autor: Maya Hüss

Blut abnehmen gehört für NäPa Nathalie Hönig bei Besuchen zur Routine. Rechts: Per Tablet gibt NäPa Nathalie Hönig die Patientenwerte an Dr. Kau weiter. Blut abnehmen gehört für NäPa Nathalie Hönig bei Besuchen zur Routine. Rechts: Per Tablet gibt NäPa Nathalie Hönig die Patientenwerte an Dr. Kau weiter. © Maya Hüss
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Seit anderthalb Jahren hat die Nicht-ärztliche Praxisassistentin Nathalie Hönig ein ungewöhnliches Praxisutensil bei ihren Hausbesuchen dabei: ein Tablet. Mit diesem kann sie sich in die Hausarztpraxis schalten.

Das Stethoskop hat sie sich um den Hals geworfen und die schwarze Hausbesuchs-Tasche mit Medikamenten, Versorgungsequipment und einem Tablet-Computer ist gepackt. Schon auf dem Weg zum Auto wird klar, heute muss sie vorsichtig fahren, denn es hat geschneit und die Straßen sind glatt. Ihre erste Patientin an diesem Morgen ist Frau Falkner (Name geändert). Bestimmt wartet sie schon.

Seit gut zwei Jahren fährt ­Nathalie Hönig, die in der Hausarztpraxis von Dr. Ulrich Kau und Eva Rossa in Oestrich-Winkel als Nicht-ärztliche Praxisassistentin, kurz NäPa, angestellt ist, auf Hausbesuche. Damit soll sie den Hausarzt im Praxisalltag entlasten. Als eine der ersten in ganz Hessen absolvierte sie im Juni 2016 den auf der MFA aufbauenden NäPa-Lehrgang.

Das Tablet ist bei den Hausbesuchen immer dabei

Ein wesentliches Detail unterscheidet sie allerdings zu den anderen derzeit insgesamt 540 NäPas im Bundesland: Seit gut anderthalb Jahren hat die junge Assistentin bei ihren Hausbesuchen stets ein Tablet dabei. Sollte sich beispielsweise die Wunde eines Patienten verschlechtert haben, kann Hönig direkt Dr. Kau über ein weiteres Tablet in der Praxis per Liveschaltung dazuholen. Er entscheidet dann, was zu tun ist. Je nach Situation kann zusätzlich das St. Josefs-Hospital Rheingau mit in die Liveschaltung geholt werden. Zusammen wird dann beraten, ob eine Einweisung ins Krankenhaus nötig ist. Zum Einsatz kommt das Tablet bei den Hausbesuchen aber nur nach Ermessen der NäPa.

An diesem Morgen bleibt es für die Patienten von Hönig allerdings bei einem Routine-Check. Das heißt: Blutdruck messen, Sauerstoffsättigung überprüfen und dann noch die Lunge abhören. Die Werte von Frau Falkner teilt Hönig Dr. Kau allerdings dann direkt per Liveschaltung mit, da der Allgemeinmediziner die Patientin sehen möchte.

Einmal im Quartal schaut der Arzt persönlich vorbei

Dazu gibt Hönig ein Passwort in das Tablet ein. Schon steht die sichere Verbindung in die Praxis, die durch die Technik eines IT-Dienstleisters, der sich auf Videokonferenzsysteme spezialisiert hat, stammt. Das Generieren von Standbildern ist bislang noch aus datenschutzrechtlichen Aspekten seitens des Gesetzgebers untersagt. Einmal im Quartal sollten die Patienten den Arzt aber auch persönlich sehen, berichtet Hönig. Nach der kurzen Liveschaltung zwischen Dr. Kau und Patientin Falkner muss Hönig auch schon wieder los, schließlich hat sie heute noch zwei andere Patienten, die auf sie warten. „In der Regel sind es ältere Menschen, die ich zu Hause versorge. Oft bin ich der einzige Kontakt, den sie haben“, bemerkt die Assistentin. Zu Beginn sei es für manche schon ungewohnt gewesen, den Arzt über das Tablet sehen und hören zu können. „Das legt sich aber bei den meisten nach ein paarmal Liveschaltung“, bemerkt Hönig.

Die NäPa ist im Kommen

Wie in der Tabelle gezeigt, hat sich die Zahl der Hausbesuche, die von einem Arzt (EBM-Ziffer 01410) in Hessen durchgeführt wurden, reduziert. Im Gegenteil dazu haben sich die Hausbesuche, die von einer Nicht-ärztlichen Praxisassistentin (NäPa) durchgeführt wurden (EBM-Ziffer 03062), erhöht. „Hieraus lässt sich der große Nutzen der NäPa gut belegen“, bemerkt die KV Hessen. Die NäPas sollen laut KV auch einen „möglichen Weg aus der schwierigen Versorgungslage in ländlichen Gebieten“ darstellen.
Quartal/JahrArzt-BesuchNäPa-Besuch
4/2015280.09119.704
4/2016262.00020.815

Quelle: KV Hessen H&S, Stand 20.11.2017

„Für mich ist die NäPa eine enor­me Entlastung für die Praxis“, sagt Dr. Kau. Abrechnen kann er allerdings nur die Leistung der NäPa, ohne den telemedizinischen Einsatz. „Hier in Hessen sind wir mit der Digitalisierung noch lange nicht so weit wie beispielsweise in Bayern oder Baden-Württemberg, wo manche Ärzte ja schon die Videosprechstunde anbieten.“ Deshalb läuft die „Televisite“ in der Oestrich-Winkeler Gemeinschaftspraxis noch als Pilotprojekt. Von Lorch bis Eltville – in einem Radius von etwa 20 bis 30 Kilometern den Rhein entlang betreut Hönig an zwei festen Tagen gut zehn Patienten in der Woche. Voraussetzung hierfür: Ein vorausgegangener persönlicher Arzt-Patienten-Kontakt. Dabei sind es nicht ausschließlich ältere Menschen, die besucht werden; als eine junge Frau die Treppen runterstürzte und deshalb nicht in die Praxis kommen konnte, übernahm Hönig die Nachversorgung.

Idee der „Televisite“ stammt aus dem Klinikbereich

„Gerade im ländlichen Raum ist es wichtig, eben die Patienten zu Hause zu versorgen, die nicht mehr so mobil sind“, bemerkt die NäPa. Ursprünglich stammt die Idee der „medizinischen Televisite“ zwischen Arzt und Patient aus dem Klinikbereich. So hielten die Krankenhäuser im Verbund des St. Josefs-Hospitals in Rüdesheim, Wiesbaden und Bad Schwalbach früher schon Videokonferenzen, um sich bei interdisziplinären Fällen standortübergreifend zu beraten. Auf den ambulanten Bereich ausgedehnt hat diese Idee Jens Gabriel, Klinikleiter des St. Josefs-Hospitals Rheingau. Insgesamt 17 Haus- und Fachärzte aus der Region vernetzen sich mit der Klinik. „Aktuell wird das Pilotprojekt ausschließlich durch die Eigeninitiative der Teilnehmer getragen. Für den Aufbau eines flächendeckenden Systems wären Fördermaßnahmen erforderlich. Wir wollen die Telemedizin in Zukunft weiter ausbauen und müssen somit auch über Terminverwaltungssysteme nachdenken, um die Erreichbarkeit eines Klinikarztes für die Liveschaltung zu einer Arztpraxis konstant gewährleisten zu können“, weiß Gabriel. Dr. Kau jedenfalls nutzt die moderne Kommunikationsmöglichkeit zur Klinik über das Tablet ungefähr einmal proWoche. Auch zu einer niedergelassenen Gynäkologin vernetzt er sich regelmäßig. Weiteren visuellen Kontakt zu Fachärzten hält er für sinnvoll: „Gerade im Dermatologischen Bereich, wo die Blickdia­gnose entscheidend ist, muss es in den Köpfen der Ärzte ankommen, dass sie auch mit dem Tablet arbeiten können“, ermahnt der Hausarzt. Auch Pflegeheime will Dr. Kau künftig in die „Televisite“ mit einbinden. „Als eine Praxis auf dem Land sehen wir ganz klar den Bedarf einer NäPa“, merkt der Arzt an. Eine kürzlich ausgelernte MFA soll deshalb bald die zweite NäPa in der Hausarztpraxis werden. Schade findet Dr. Kau aber den Umstand, dass eine MFA erst zwei Jahre Berufserfahrung sammeln muss, bevor sie die Fortbildung beginnen kann. „Jeder Arzt sollte selber entscheiden können, wie viel Berufserfahrung seine MFA für die Fortbildung braucht.“

Hönig weiß das selbstständige Arbeiten zu schätzen

Hönig ist jedenfalls froh, die Ausbildung zur NäPa absolviert zu haben. „Das selbstständige Arbeiten bei den Hausbesuchen ist wirklich ein Stück Freiheit, das ich zu schätzen weiß“, sagt sie. Auch die Patientin Falkner ist sichtlich erleichtert, dass sie heute bei einem Wetter mit Glätte und Schnee nicht den Weg in die Praxis aufnehmen muss. Am Nachmittag hat sie allerdings noch einen Zahnarzttermin, den sie leider nicht per Tablet erledigen kann.
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