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Zu oft im Jahr auf Urlaubsreise? Die KV schickt die Rechnung

Praxismanagement , Praxisführung Autor: Michael Reischmann

Mit dem Motorrad wochenlang auf anderen Kontinenten unterwegs. Ein Arzt dokumentierte dieses Hobby im Web – und bekam Ärger. Mit dem Motorrad wochenlang auf anderen Kontinenten unterwegs. Ein Arzt dokumentierte dieses Hobby im Web – und bekam Ärger. © fotolia/bernardbodo
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Wenn Praxen urlaubsbedingt schließen und Ärzte verreisen wollen, stellt sich die Vertretungsfrage. Der Fall einer Praxis, der die KV Honorar wegen zu langer Abwesenheit eines Partners strich, zeigt, worauf man bei der Ferienplanung noch achten sollte.

Radiologe Dr. C. unternahm häufig Fernreisen mit dem Motorrad, die er auf einer privaten Webseite ausgiebig dokumentierte. Als Vertreter benannte er seinen Gemeinschafts­praxispartner Dr. D., einen für Nuklearmedizin zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Radiologen. Auf eine anonyme Anzeige hin stellte die KV fest, dass Dr. C. allerdings mehr als die drei erlaubten Monate pro Jahr in der Praxis fehlte; 2010 machte er 107 Tage Urlaub, im Folgejahr 96 und 2012 103 Tage.

Schilder und Ansagen

Ab in den Sommerurlaub?! Passen Sie vorher den Ansagetext auf dem Anrufbeantworter Ihrer Praxis an. Nennen Sie Namen und Sprechzeiten der Vertreterpraxis. Ein vager Hinweis auf eine Vertretung durch „umliegende Praxen“ oder „alle Ärzte am Ort“ reicht nicht aus, erläutert die KV Schleswig-Holstein. Nennen Sie die Nummer 116 117 des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes (ÄBD) und wann dieser erreichbar ist. Weisen Sie zudem auf die 112 des Rettungsdienstes für Notfälle hin. Informieren Sie mit einem Schild an der Eingangstür Ihres Praxishauses über den Zeitraum der Abwesenheit und die Vertreterpraxis. Tun Sie das auch auf der Praxishomepage.

Die KV monierte, dass ihr die Abwesenheiten nicht bzw. nur unvollständig gemeldet wurden. Sie forderte von Dr. C. rund 73 000 Euro Honorar zurück, weil die Abrechnungs-Sammelerklärung falsch war. Das sah das Sozialgericht München ebenso, es reduzierte allerdings den Rückforderungsbetrag (Urteil vom 20.1.2017, Az.: S 28 KA 698/15). Nach Ansicht des Gerichts machte Dr. C. vorsätzlich fehlerhafte Angaben zur Dauer seiner Abwesenheiten. Er verstieß gegen die vertragsärztlichen Vertretungsregelungen, die Anwesenheitspflicht sowie die Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung. Da es sich um eine fach­übergreifende Gemeinschaftspraxis handelte, hätte der Ausfall des einen Partners nicht komplett durch den anderen Partner aufgefangen werden dürfen; Dr. C. hätte einen externen Vertreter benötigt. Die KV ging allerdings selbst bis Ende 2011 von einer anderen Rechtslage aus. Und bezüglich der üblichen drei Monate gewährte sie Vertrauensschutz. Zu klären war noch die Zahl der Fehltage. Das Gericht bestätigte die Auffassung der KV, dass nicht auf „Vertretertage“, sondern die konkrete Abwesenheit abzustellen ist. Dabei gilt: Beginnt ein Urlaub an einem Wochenende oder Feiertag, ist für diese Tage – in Praxen mit einer Sprechstunde von Montag bis Freitag – keine Vertretung erforderlich. Das Gericht korrigierte deshalb die KV-Forderung um die Fälle, in denen der erste Abwesenheitstag von Dr. C. nicht zugleich der erste Vertretertag war. Das waren Samstage plus Feiertage wie Neujahr und Pfingstmontag.

Der BAG-Partner rechnet mit seiner eigenen Nummer ab

Günstig war für Dr. C. auch, dass KV und Gericht für die strittigen Jahre von alten Merkblättern ausgingen, in denen nicht von Sprechstundentagen, sondern von „bis zu drei Monaten“ die Rede war. Darum legten sie für die Dreimonatsgrenze 92 Kalendertage fest. Somit wurde das Honorar erst jeweils ab dem 93. Abwesenheitstag gekürzt; das waren schlussendlich sieben, zwei und neun Tage. Multipliziert mit dem jeweils durchschnittlichen GKV-Tageshonorar von Dr. C. er­gab sich daraus eine Rückforderungssumme von 43 855,12 Euro.

Abwesenheit an bis zu 65 Sprechstundentagen

Mittlerweile (Stand: Juni 2017) präzisiert die KV Bayerns die genehmigungsfreie Vertretung nach § 32 Abs. 1 Ärzte-Zulassungsverordnung so: Drei Monate innerhalb von zwölf Monaten entsprechen bei Sprechstundenzeiten von montags bis freitags 65 freien Tagen bzw. bei einer zusätzlichen Samstagssprechstunde 78 Tagen. Eine stundenweise Vertretung wird als ein Tag gezählt. In ihrem aktuellen Papier bringt die die KVB die Regelungen für genehmigungsfreie und -pflichtige Vertretungen bei Haus-, Fach- und angestellten Ärzten sowie Psychotherapeuten auf den Punkt. So hebt sie z.B. hervor, dass sich die Partner einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) nicht gegenseitig in ihrer Praxis im Sinne des § 32 Ärzte-ZV, also unter Verwendung der LANR des abwesenden Kollegen, vertreten können.

Urlaubsvertretung in der Hausarztzentrierten Versorgung

Jeder HzV-Hausarzt kann einen anderen HzV-Hausarzt vertreten – vorausgesetzt beide nehmen am selben Vertrag teil. Für die Ferien heißt das: Auf dem Ansagetext des Anrufbeantworters und in den Urlaubs­aushängen der Praxis ist mindestens ein HzV-Vertretungsarzt zu nennen (und das am besten auch zu dokumentieren). Ein HzV-Patient ist verpflichtet, den benannten HzV-Vertreter aufzusuchen. Tut er dies nicht, handelt er nicht vertragskonform; seine Kasse ist grundsätzlich berechtigt, die Vergütung solcher Leistungen von ihm einzufordern. Die Vertreterpauschale wird ausgelöst, wenn für die Behandlung eines HzV-Patienten weder Zielauftrag noch Überweisung vorliegen. Innerhalb einer BAG und eines MVZ entsteht kein HzV-Vertretungsfall. Quelle: Bay. HÄV und HÄV RLP

Sicherstellungs- versus Weiterbildungsassistent

Weitere Hinweise der KVB lauten: Anders als Sicherstellungs­assistenten erfüllen Weiterbildungsassistenten wegen fehlender Facharztanerkennung in der Regel nicht die Vertreterqualifikation. Und: Vertreter, die die Praxis vollumfänglich führen, können im Gegensatz zu Praxisassistenten bzw. angestellten Ärzten auch freiberuflich auf Honorarbasis tätig werden. Die wesentlichen rechtlichen sowie Servicehinweise (siehe Kästen) haben alle KVen parat, sodass auch reisefreudige Kollegen wie Biker Dr. C. ihre Urlaubsvertretung sauber planen können.

Zwei Arten von Vertretung

Vertreter im Sinne des Vertragsarztrechts (§ 32 Ärzte-ZV) ist derjenige Arzt, der in Abwesenheit des Praxisinhabers in dessen Namen, an dessen Stelle und in dessen Praxis unter Verwendung dessen lebenslanger Arztnummer (LANR) und Betriebsstättennummer (BSNR) die vertragsärztliche Tätigkeit weiter ausübt. Genehmigungsfreie Vertretungen für bis zu 65 Tage in den letzten zwölf Monaten (bei Sprechstundenzeiten von Montag bis Freitag) kommen bei Urlaub, Krankheit, Fortbildung und Wehrübung in Betracht. Hiervon zu unterscheiden ist die „kollegiale Vertretung“ nach dem Berufsrecht. Hier übernimmt ein Vertragsarzt in der näheren Umgebung – für maximal drei Monate am Stück – die Patientenbehandlung. Er rechnet die in seiner Praxis erbrachten Vertreterleistungen über das Formular Muster 19a (Vertreterschein) unter Angabe seiner BSNR und LANR selbst ab. Es ist keine Genehmigung der KV erforderlich. Die KV Bayerns verlangt: „Vertretungen (auch kurzzeitige) sind intern zu dokumentieren.“ Dauert die Abwesenheit länger als eine Woche, ist der KV die Abwesenheit schriftlich unter Nennung von Vertreter und Vertretungsgrund anzuzeigen. Das wechselseitige Auffangen von Leistungen bei Abwesenheit eines BAG-Partners ist laut Bundessozialgericht keine Vertretung gemäß § 32 Ärzte-ZV. BAG-Kollegen des gleichen Versorgungsbereichs (haus-/fachärztlich) übernehmen die Arbeit des abwesenden Arztes unter Verwendung ihrer eigenen LANR – soweit identische Fachgebiete und ggf. erforderliche Qualifikationen vorliegen.
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