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Adrenalin-Pen wird zu selten verordnet

Autor: Dr. Barbara Kreutzkamp

Statt Adrenalin werden eher Antihistaminika oder Kortikoide verschrieben. Statt Adrenalin werden eher Antihistaminika oder Kortikoide verschrieben. © iStock/aoldman
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Haben Sie Ihrem Patienten nach einer Anaphylaxie einen Adrenalin-Autoinjektor verschrieben? Nein? Damit stehen Sie nicht alleine da, wie das „Anaphylaxis Registry“ nahelegt. In sechs Fällen besteht laut europäischer Leitlinie jedoch eine absolute Indikation.

Hatte ein Patient bereits einmal in seinem Leben eine anaphylaktische Reaktion, weist er ein höheres Risiko für eine schwere Anaphylaxie auf – mit den bekannten Folgen. Die europäische Leitlinie rät deshalb zu einer Sekundärprophylaxe mit Schulungen zur Allergenvermeidung und ggf. einer spezifischen Immuntherapie (SIT). Zusätzlich sollte jeder Patient eine Notfallmedikation mit Antihistaminika, Kortikoiden und/oder einen Adrenalin-Autoinjektor erhalten (s. Kasten).

Sechs Gründe für den Adrenalin-Pen

In ihrer Leitlinie nennt die European Academy of Allergy and Clinical Immunology sechs absolute Indikationen für einen Adrenalin-Autoinjektor als Sekundärphrophylaxe­:
  1. Anaphylaxie durch Nahrung, Latex oder Aeroallergene
  2. Anaphylaxie durch körperliche Belastung
  3. idiopathische Anaphylaxie
  4. zusätzliches Asthma und Nahrungsmittelallergie
  5. Insektengiftallergie, wenn keine SIT durchgeführt wurde
  6. Insektengiftallergie und Mastzell­erkrankung

Aufs Rezept kommen eher Steroide und Antihistaminika

Diese Empfehlungen werden teilweise schon sehr gut, teilweise aber noch nicht befriedigend umgesetzt, so das Resümee von Allergologen um Dr. Magdalena­ Kraft­ von der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Sie werteten 7788 Fälle aus dem Anaphylaxis Registry aus, das die Daten von zehn europäischen Ländern und Brasilien umfasst. In allergologischen Spezialambulanzen erfolgte die Sekundärprävention der überwiegend schwer betroffenen Anaphylaxie-Patienten meist leitliniengerecht. 84 % mit passender Indikation bekamen einen Adrenalin-Pen. Fast alle mit Insektengiftallergie erhielten ein Rezept für die Notfallmedikation sowie ein Notfalltraining, mit 77 % ein großer Teil auch eine Insektengift-SIT zur Toleranzinduktion. Menschen mit Nahrungsmittelallergie wurden ebenfalls geschult und hatten Notfallmedikamente, doch nur in 2,5 % der Fälle kam eine spezifische Immuntherapie zum Einsatz. Bei Patienten mit Arzneimittelallergien war die Beratung zur Allergenvermeidung die häufigste sekundärpräventive Maßnahme, Adrenalin-Pens erhielt diese Gruppe eher selten (23 %). Die Leitlinien-Adhärenz bezüglich Adrenalin fiel in der ambulanten Primärversorgung mit 37 % deutlich schlechter aus, die Versorgungsqualität varriierte ebenfalls in Abhängigkeit vom Allergen. Mit 47 % bekamen am häufigsten Personen mit Insektengiftallergien einen Pen verordnet, das Schlusslicht bildeten 4 % der Patienten mit Arnzeimittelallergie. Grundsätzlich wurden eher Antihistaminika oder Kortikoide rezeptiert.

Schwere Anaphylaxien betreffen vor allem Ältere

Insgesamt waren Babys und ältere Patienten schlechter versorgt. Dass Kleinkinder keine Adrenalin-Notfallmedikation erhalten, können die Allergologen aufgrund fehlender niedrig dosierter Präparate nachvollziehen. Ob die Zurückhaltung mit Adrenalin bei Senioren zum Beispiel aufgrund einer hohen Komorbiditätslast tatsächlich gerechtfertigt ist, muss noch genauer erforscht werden. Denn gerade diese Patienten erleiden häufig schwere Anaphylaxien.

Quelle: Kraft M et al. Allergy 2020; 75: 901-910; DOI: 10.1111/all.14069