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Allergische Rhinokonjunktivitis: Hyposensibilisieren mit System

Autor: Manuela Arand/Dr. Anja Braunwarth

Um dem Einfluss der Pollen entgegenzuwirken, gilt die spezifische Immuntherapie als wichtigste Option. Um dem Einfluss der Pollen entgegenzuwirken, gilt die spezifische Immuntherapie als wichtigste Option. © wikimedia/Dartmouth College Electron Microscope Facility
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Ein Algorithmus, zwei Pro-/Contra-Grafiken – schon steht die Hyposensibilisierungsstrategie für Patienten mit allergischer Rhinokonjunktivitis. Ganz so einfach ist die Sache zwar nicht, aber fast.

Für Patienten mit einer IgE-vermittelten allergischen Erkrankung gilt die spezifische Immuntherapie (SIT) als die einzige krankheitsmodifizierende Option. Bei allergischer Rhinokonjunktivitis empfiehlt die EAACI* sowohl die sublinguale (SLIT) als auch die subkutane (SCIT) Form der Therapie. Professor Dr. Oliver Pfaar von der Hals-, Nasen- und Ohrenklinik am Universitätsklinikum Marburg hat nun gemeinsam mit internationalen Kollegen auf Basis der aktuellen EAACI-Empfehlungen einen übersichtlichen Praxisleitfaden für die SIT entwickelt. Indiziert ist sie demnach, wenn

  • Patienten an einer moderaten bis schweren allergischen Rhinitis mit oder ohne Beteiligung der Konjunktiven leiden,
  • sich eine Sensibilisierung gegen klinisch relevante Allergene nachweisen lässt,
  • Allergenkarenz nicht machbar erscheint,
  • die Patienten bereits eine optimierte Pharmakotherapie mit topischen nasalen Steroiden, nicht-sedierenden Antihistaminika und ggf. einer Nasendusche erhalten.

Natürlich dürfen für die spezifische Immuntherapie keine absoluten Kontraindikationen vorliegen.

Die zwei relevantesten Allergene identifizieren

Zu denen gehören u.a. das unkontrollierte oder schwere Asthma, eine aktive, nicht-kontrollierte autoimmune Systemerkrankung, eine aktive Krebserkrankung und eine Schwangerschaft. Wobei eine SIT während der Schwangerschaft fortgeführt werden darf – sie sollte nur nicht in dieser Zeit starten. Bei relativen Kontraindikationen (s. Kasten) fällt die Entscheidung für oder gegen die Immuntherapie individuell aus.

Relative Kontraindikationen der SIT

  •  nur teilweise kontrolliertes Asthma
  • laufende Betablockertherapie
  • schwere kardiovaskuläre Erkrankung
  • systemische Autoimmunkrankheit
  • schwere psychiatrische Erkrankung
  • geringe Adhärenz
  • Immunschwäche
  • vorausgegangene systemische Reaktion auf eine SIT

Bei einer Polyallergie identifiziert man die ein bis zwei relevantesten Allergene durch Anamnese, Pricktest und spezifisches IgE, falls nötig auch durch Provokationstests. Diese Allergene nutzt man dann für die SIT. Mit zwei nicht-homologen Stoffen gleichzeitig zu beginnen, geht theoretisch, sollte aber eine Einzelfallentscheidung sein und bleibt in erster Linien Zentren mit großer Erfahrung vorbehalten. Dringend empfohlen wird vorab die produktspezifische Evaluation im Hinblick auf Effektivität und Verträglichkeit in der Zielgruppe. Denn in Studien hat sich eine große Heterogenität der Substanzen gezeigt. Die Vor- und Nachteile von SCIT und SLIT wurden in der Empfehlung detailliert herausgearbeitet. Für die SCIT spricht beispielsweise, dass der Arzt die Dosierung individuell anpassen und sich der Adhärenz des Patienten vergewissern kann.

Weniger Aufwand für den Patienten bei der SLIT

Aber natürlich sind Aufwand und Kosten für den Betroffenen größer, wenn er für die Injektion in die Praxis oder die Ambulanz kommen muss. Die SLIT erfolgt ab der zweiten Anwendung zu Hause. Diesem Vorteil stehen u.U. unangenehme Lokalreaktionen gegenüber. Bei Allergien gegen Baum- oder Gräserpollen gibt es abseits der prinzipiellen Entscheidung zwischen SCIT und SLIT eine weitere Option zu diskutieren: Die SCIT kann statt kontinuierlich auch rein präsaisonal durchgeführt werden. Dies verringert zwar den Aufwand für den Patienten, zeigt aber im Vergleich zur kontinuierlichen SCIT möglicherweise weniger Erfolg. Für die SLIT stehen Allergene in Tabletten- oder Tropfenform zur zur Verfügung. Tropfen bieten den Vorteil, dass sie sich individuell dosieren lassen. Die Vorgabe exakt einzuhalten, gelingt aber nicht allen Patienten.

Schulung auch fürs Praxisteam

Vor Therapiebeginn sollte der Patient eine Schulung durchlaufen, in der er über Behandlungsprinzipien, Therapiedauer und die Wichtigkeit einer guten Adhärenz aufgeklärt wird sowie Strategien zum Selbstmanagement etwa von Nebenwirkungen lernt. Geschult werden muss auch das Praxisteam, damit es allergische und anaphylaktische Akutreaktionen erkennt und zu behandeln weiß. Dann kann die SIT starten. Sofern sie sich als erfolgreich erweist und keine schweren Systemreaktionen zum Abbruch zwingen, sollte sie – in beiden Varianten – drei bis fünf Jahre fortgeführt werden. Bleibt über ein Jahr der Effekt aus, bricht man am besten ab, so die Experten.

* European Academy for Allergy and Clinical Immunology

Quelle: Pfaar O et al. Allergy 2020; DOI: 10.1111/all.14270