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Diabetischer Fuß: Zweitmeinung vor der Amputation rettet Zehen und Füße

Autor: Antje Thiel

Weniger Ampu­tationen bei Diabetischem Fußsyndrom – jetzt hat der G-BA gehandelt. Weniger Ampu­tationen bei Diabetischem Fußsyndrom – jetzt hat der G-BA gehandelt. © iStock/Toa55
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Eine Amputation ist eine der möglichen Diabetesfolgen, vor denen Menschen mit Diabetes besonders viel Angst haben. Für das Fußnetz Köln ist daher der Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses, wonach Menschen mit Diabetischem Fußsyndrom künftig Anspruch auf eine Zweitmeinung vor einer Amputation haben, ein wichtiger Schritt nach vorn.

Jahrzehntelang hatte das Fußnetz Köln gemeinsam mit der AG Fuß der DDG und anderen Fachgesellschaften ein Zweitmeinungsverfahren gefordert. Der Internist Dr. Dirk Hochlenert, stellvertretender Vorsitzender des Fußnetzes Köln, findet den G-BA-Beschluss aus zwei Gründen bemerkenswert: „Nun wurde uns quasi von offizieller Seite bestätigt, dass in Deutschland zu viel amputiert wird.“ Experten kritisierten schon seit vielen Jahren, dass ein Fehlanreiz besteht, der zu Amputationen verleitet. Diese führten vielfach zu höheren DRG-Erlösen und gleichzeitig zu besser planbaren Abläufen.

Intensivere Auseinandersetzung mit Behandlungsalternativen

Mindestens ebenso wichtig ist nach Einschätzung von Dr. Hochlenert aber, dass das Zweitmeinungsverfahren nach § 27b SGB V endlich den Patienten in den Mittelpunkt stellt: „Jeder Arzt, der für eine Amputation aufklärt, muss auch über das Recht auf eine zweite Meinung aufklären und erklären, wie man an eine solche Zweitmeinung herankommt.“ In dem Wissen, dass der Patient einen weiteren Experten befragen kann, werde sich der behandelnde Arzt bereits im Vorfeld intensiver mit den möglichen Alternativen zur Amputation auseinandersetzen, hofft Dr. Hochlenert.

Leider akzeptierten zu viele Betroffene die alleinige Schuld an ihrer Lage – schließlich haben sie den Fuß belastet, obwohl der Arzt ihnen davon dringend abgeraten hat. „Dabei können sie oft nicht anders, sie müssen den Fuß belasten“, erklärt der Diabetologe. Schließlich sei es Teil des erkrankungstypischen Entfremdungsprozesses zwischen dem Patienten und seinem Fuß (Leibesinselschwund), dass er sich nicht gut um die Extremität kümmern kann. Diese besondere Ausgangslage ist nach Auffassung von Dr. Hochlenert vielen Ärzten – insbesondere Angehörigen der operativen Fächer – kaum bewusst.

Ebenso fehle es oft an Verständnis dafür, welche gravierenden physischen und psychischen Folgen Amputationen haben können. „Menschen nehmen sich selbst danach anders wahr als vorher, ihre Motorik ist verändert, sie stehen im wahrsten Sinne des Wortes nicht mehr mit beiden Beinen auf dem Boden“, erklärt Dr. Hochlenert, „diese Leute sind dann vorhersehbar anders als vorher.“

Daher kann er auch nichts mit der Unterscheidung zwischen Minor- und Majoramputationen anfangen: „Auch ein kleiner Zeh ist wichtig, denn er wird zur Stabilisierung der Außenseite des Fußes benötigt.“ Es dürfe nicht so wirken, als seien sämtliche Amputationen unterhalb des Sprunggelenks im Grunde harmlos. „Mit einer Amputation generiert man immer neue Schwachstellen, die häufig weitere Amputationen zur Folge haben.“

Zwei Ziele stehen nun für Dr. ­Hochlenert und seine Mitstreiter vom Fußnetz Köln im Vordergrund: Zum einen müssen die Betroffenen von ihrem Recht auf eine Zweitmeinung erfahren und es aktiv einfordern. „Und es ist wichtig, dass sich nun die Richtigen als Zweitmeiner bei den Kassenärztlichen Vereinigungen bewerben.“