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Die glykämische Variabilität

diatec journal: Lexikon Autor: Dr. Andreas Thomas

Zur Beschreibung der glykämischen Variabilität gibt es viele Parameter – deren klinischer Nutzen ist jedoch oft unklar. Zur Beschreibung der glykämischen Variabilität gibt es viele Parameter – deren klinischer Nutzen ist jedoch oft unklar. © istock.com/Alexandr Dubovitskiy
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Aktuell steht eine Vielzahl an mathematischen Beschreibungen für die Schwankungen der Blutzuckerwerte zur Verfügung. Deren Relevanz ist jedoch größtenteils ungewiss.

Durch die Messung von Glukosewerten in kurzen Abständen (1–5 Minuten) mithilfe des kontinuierlichen Glukosemonitorings (CGM) ergibt sich die Möglichkeit der vollständigen, weil lückenlosen Bestimmung der glykämischen Variabilität. Das hat zur Kreation diverser Parameter geführt, um Glukoseschwankungen zu beschreiben und in eine geeignete mathematische Formulierung zu fassen. Neben den allgemein verwendeten Parametern, der mittleren Glukosekonzentration (MW) und der Standardabweichung (SD) als Maß für die Streuung um diesen Mittelwert, haben verschiedene Autoren Parameter eingeführt, mit welchen sie versuchten, ihre Messergebnisse (zum Teil aus punktuellen Blutglukosemessungen, zum Teil aus CGM-Profilen) zu verifizieren und deren klinische Relevanz einzuordnen. Genannt seien:

  • diverse Formulierungen für Standardabweichung (SD); entweder über die gesamte Messzeit, zwischen den täglichen Mittelwerten (SDdm) oder zwischen den Standardabweichungen an einzelnen Tagen (SDb)
  • MAGE (mean amplitude of glycaemic excursions): mittlere Amplitude der glykämischen Exkursionen, beschreibt das arithmetische Mittel aus der Differenz zwischen konsekutiven glykämischen Maxima und Minima
  • MODD (Mean of Daily Differences): Mittelwert der täglichen Glukoseabweichungen
  • CONGA (Continuous Overall Net Glycemic Action): mittlere maximale Exkursionen in den hypoglyk­ämischen und hyperglykämischen Bereich
  • LI-Index: Glukose-Labilitätsindex
  • LBGI (Low Blood Glucose Index*) und HBGI (High Blood Glucose ­Index*)
  • ADRR (Average Daily Risk Range) als Summe von LBGI und HBGI: durchschnittlicher täglicher Risikobereich, beschreibt das Risiko für akute Komplikationen
  • GRADE (Glycaemic Risk Assessment Diabetes Equation)
  • M-Index: Index in Bezug auf die Abweichung von der Referenzglukose: M5.56 (Referenzglukose 5,56 mmol/l, entsprechend 100 ­mg/dl­ ­[M100])
  • J-Index: J = 0,001 x (MW + SD)2
  • IGC: Index of Glycemic Control

Unterteilt werden die Parameter in Bezug auf die Beschreibung der glykämischen Variabilität bzw. der glykämischen Kontrolle. Bis auf den ADRR, welcher das tägliche Risiko für Hypoglykämien und Hyperglyk­ämien angibt und den Variationskoeffizienten, beschreiben alle anderen Parameter nur die Glukoseverläufe, sind also die mathematische Fassung dessen. Das hat eine hohe Bedeutung im Sinne automatisierter Auswertungen, wie es in Zukunft zunehmend in Patienten-Entscheidungs-Systemen (PDS) der Fall sein wird. Solche Systeme analysieren zum Beispiel CGM-Daten, welche während der Messung per SmartPhone und Cloud in den Großcomputer übertragen, dort analysiert und mit Handlungsanweisungen unmittelbar an den Patienten zurückgespielt werden. Aus diesem Grund sind diverse Parameter für die Beschreibung der glykämischen Variabilität wichtig, wobei deren klinische Relevanz eingeordnet werden muss.

Aktuell sollte sich diese Relevanz auf das internationale Konsensus-Statement** beziehen, welches die Bedeutung des Variationskoeffizienten (Werte < 36 % gelten als stabil, Werte ≥ 36 % als instabil) herausstellt. Weiterhin betrifft das den Parameter ADRR = LBGI + HBGI. Die anderen aufgeführten Meßgrößen besitzen eher akademischen Wert. Über diese wird zukünftig in weiteren Beiträgen dieses Lexikons berichtet.

* der Formalismus wurde ursprünglich von Kovatschev et al. anhand der Analyse von Blutglukosedaten entwickelt

** Danne T et al. International Consensus on Use of Continuous Glucose Monitoring. Diabetes Care 2017; 40: 1631-1640