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Die Wahrheit über Protonenpumpenhemmer

Autor: Dr. Barbara Kreutzkamp

Wer aufgrund eines Ulkus PPI nimmt, muss wohl nicht mit einem Infarkt rechnen. Wer aufgrund eines Ulkus PPI nimmt, muss wohl nicht mit einem Infarkt rechnen. © fotolia/crevis
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Protonenpumpenblocker sind wertvolle Helfer gegen Reflux, Ulkus & Co., werden aber allzu oft ohne triftigen Grund verordnet. Dann steht natürlich ein Auslassversuch an. Insgesamt sind PPI aber gut verträglich, Befürchtungen zu Fraktur, Infarkt und Demenz übertrieben.

Reflux- und Ulkuskrankheit gehören zu den beiden wichtigsten Indikationen für eine Akut- und Langzeitgabe von Protonenpumpenhemmern (PPI), schreibt der emeritierte Professor Dr. Herbert­ Koop, langjähriger Chefarzt am Helios Klinikum Berlin-Buch. Indiziert sind die Säureblocker auch beim Zollinger-Ellison-Syndrom, in der H.-pylori-Eradikation sowie in speziellen Fällen von exokriner Pankreasinsuffizienz oder eosinophiler Ösophagitis.

Nicht ganz so eindeutig sieht es mit der Indikation in der Ulkusprävention bei ASS- und NSAR-Verordnung aus, so der Gastroenterologe. Obligatorisch sind die PPI nicht, nur bei entsprechendem Risikoprofil oder subjektiven Beschwerden sollten Kollegen zum Rezeptblock greifen. Ebenfalls kontrovers diskutiert wird der Einsatz bei funktioneller Dyspepsie mit Säuresymptomen.

Der Blick auf die Verordnungszahlen legt allerdings nahe, dass rund 30 % bis 50 % aller PPI-Packungen ohne gesicherte Indikation zum Einsatz kommen. Dies liegt zum Teil an einer unkritischen Übernahme von Empfehlungen nach stationärem Aufenthalt und zum Teil wohl auch an einer kaum mehr hinterfragten Langzeitverordnung. In diesen Fällen lohnt ein Absetzversuch.

Jeder Dritte kann die Arznei absetzen oder reduzieren

Qualitativ hochwertige Exit-Studien zeigen, dass sich bei rund einem Drittel der Patienten die Magentherapeutika selbst nach Langzeiteinnahme ganz absetzen oder zumindest in ihrer Dosis reduzieren lassen. Vor allem Patienten mit dyspeptischen Beschwerden profitieren. Weiterhin Therapiebedürftige entwickeln meist innerhalb von einer Woche erneut Symptome, sodass rasch Klarheit zur eventuell notwendigen Weiterverordnung besteht. Bei Unsicherheiten kann man zu Beginn der PPI-Abstinenz auch über ein bis zwei Wochen noch ein Antazidum oder ein Alginat verordnen, schlägt der Kollege vor.

Zwei Exit-Strategien haben sich bewährt: Das abrupte Absetzen und die Dosisreduktion, die in puncto Säurerebound Vorteile haben könnte. Dabei wird laut dem Experten zunächst eine Woche lang die Dosis halbiert und in der zweiten Woche nur jeden zweiten Tag mediziniert.

Die Verträglichkeit der PPI ist gut. Allerdings haben neuere Publikationen über Nebenwirkungen für Verunsicherung gesorgt. Bei näherer Betrachtung des zugrunde liegenden Datenmaterials und nach Plausibilitätskontrolle erscheinen Zusammenhänge aber eher fraglich, bemerkt Prof. Koop. Das gilt vor allem für die Nebenwirkungen außerhalb des Gastrointestinaltrakts, gewonnen meist im Rahmen von Datenbank- oder Verordnungsanalysen. Die relativen Risiken (Odds Ratios) liegen in allen Publikationen unter 2, was laut dem Autor einem klinisch nicht ins Gewicht fallenden Befund entspricht.

Die berichteten leicht erhöhten Raten für Frakturen, Pneumonien, Schlaganfall und Myokardinfarkt, Niereninsuffizienz und interstitielle Nephritis bewegen sich mit Odds Ratios von 1,16 bis 1,45 in Bereichen des „statistischen Grundrauschens“. Außerdem ließ sich das Risiko in prospektiven Studien nicht nachweisen. Auch die sehr selten vorkommende Hypo­magnesiämie gibt keinen Anlass für klinische Konsequenzen. „Vielmehr dürfte es sich dabei am ehesten um eine Nebenwirkung aufgrund einer Idiosynkrasie handeln“, meint Prof. Koop. Den Trubel um das angeblich 1,4-fach erhöhte Demenz­risiko wiegelt er ab. Eine große finnische Langzeitstudie konnte es selbst nach hohen Dosen nicht bestätigen.

Stattdessen lassen sich die grundsätzlich beobachteten leicht erhöhten Risiken unter anderem mit der Tatsache erklären, dass die PPI-Verordnung ein Marker für kränkere Patienten ist. Sie sind älter, haben mehr Begleiterkrankungen und brauchen mehr Medikamente. Trotzdem gilt natürlich gerade bei alten Menschen: Protonenpumpenhemmer nur bei begründeter Indikation verordnen.

In mehrjährigen Abständen Vitamin B12 spritzen

Wahrscheinlicher sind vereinzelte Nebenwirkungen am Gastrointes­tinaltrakt selbst, aber auch hierbei besteht nur ein insgesamt niedriges Risiko und die unerwünschten Ereignisse lassen sich überwiegend mit den Patientenprofilen erklären.

Da jedoch gastrointestinale Infektionen sowie eine Clostridium-difficile-Colitis unter der Säureblockade sich nicht ganz ausschließen lässt, sollte die PPI-Dosis möglichst niedrig gehalten und sollten regelmäßig Auslassversuche vorgenommen werden. Bei Reisen in Länder mit besonders hohem Risiko für intestinale Infektionen ist die Indikation besonders kritisch zu stellen.

Um einen potenziell möglichen Vitamin-B12-Mangel unter langfris­tiger PPI-Gabe auszugleichen, rät Prof. Koop zu einer in mehrjährigen Abständen durchgeführten parenteralen Cobalaminsubstitution. Dies sei günstiger als eine regelmäßige Blutkontrolle. Falls Letztere jedoch sowieso hin und wieder erfolgt, lässt sich dabei ebenfalls der Eisenwert messen. Eine alleinige Analyse hierfür erachtet der Kollege als unnötig.

Quelle: Koop H. Z Gastroenterol 2018; 56: 264-274