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Elektrische Neurostimulation lindert chronische Schmerzen oft besser als Medikamente

Autor: Dr. Anja Braunwarth

Die elektrische Neurostimulation entwickelt sich rasch und ist eine vielversprechende Therapieoption bei chronischen Schmerzen. Die elektrische Neurostimulation entwickelt sich rasch und ist eine vielversprechende Therapieoption bei chronischen Schmerzen. © iStock/Christoph Burgstedt
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Es sind die gängigen Vorurteile: Die elektrische Nervenstimulation zerstöre doch nur, sie bereite dem Patienten weitere Schmerzen, eine Pharmakotherapie sei doch viel schonender. Mittlerweile liegt aber ausreichend Evidenz für die neuromodulatorischen Verfahren vor.

Nur 30–40 % aller Patienten mit neuropathischen Schmerzen lassen sich effektiv mit Medikamenten behandeln, erklärte ­Sebastian ­Gillner von der Klinik für Neurochirurgie am Universitätsklinikum Düsseldorf. Den übrigen Betroffenen können neuromodulatorische Verfahren einen echten Ausweg aus dem chronischen Schmerz bieten. 

Mit Stand März 2021 habe der Suchbegriff „­Spinal ­Cord ­Stimulation“ knapp 25 000 Treffer in der Pubmed-Datenbank ergeben – ähnlich viele wie zum Thema medizinisches Cannabis. „Und für Cannabis gilt die Evidenz als hervorragend“, betonte der Referent. Nun sage die bloße Zahl an Publikationen natürlich nichts über die Qualität der Arbeiten aus, doch sehr viele der Studien würden sich auf gutem wissenschaftlichem Niveau bewegen und so zum hohen Evidenzgrad der Methode beitragen.

Als Beispiel nannte der Referent das Postlaminektomiesyndrom. Für diese Schmerzerkrankung erzielt die ­Spinal ­Cord ­Stimulation den Evidenzlevel 1+. Denn die Methode zeigt eine größere Schmerzreduk­tion als die medikamentöse The­rapie, eine höhere Kosteneffektivität und eine stärkere Besserung der Lebensqualität, berichtete der Experte. 

Entscheidend ist natürlich wie immer die richtige Indikation. Das Spektrum möglicher Einsatzgebiete der verschiedenen elektrischen Neuromodulationsverfahren hat sich in den letzten Jahren enorm erweitert (s. ­Kasten). „Überall, wo sich ein Nerv befindet, können wir stimulieren.“ Außerdem gibt es inzwischen viele technische Neuerungen und Verbesserungen. Die Therapie gilt heute als komplett reversibel, die Testung gelingt meist perkutan und der Haupteingriff erfolgt in Intubationsnarkose, nicht wie früher bei vollem Bewusstsein. 

Die Vielzahl verfügbarer Stimulationssignale erlaubt zudem eine sehr individuelle Therapie. Darüber hinaus stehen mittlerweile MRT-fähige Geräte zur Verfügung. Je früher man diese Möglichkeiten nutzt, umso besser. „Beim komplexen regio­nalen Schmerzsyndrom haben wir zum Beispiel in den ersten sechs bis zwölf Monaten noch die Chance, es zu stoppen“, betonte der Neurochirurg. 

Auch bei Karpaltunnel- oder Ulnarissyndromen

Die elektrischen Stimu­­lationsverfahren gewinnen aber auch abseits neuropathischer Schmerzen an Bedeutung, berichtete Dr. ­Richard ­Ibrahim vom Regionalen Schmerzzentrum der DGS* in München. So konnte die zervikale Applikation bei therapierefraktären Nacken- und Armschmerzen überzeugen. Auch chronische, nicht-voroperierte Rückenschmerzen (Virgin-Back-Schmerz) oder chronische, nicht-radikuläre Schmerzen der Beine sprachen gut darauf an. „Gerade beim Virgin-Back-Schmerz sind wir allerdings zurückhaltend und schöpfen erst die multimodalen Konzepte aus“, sagte Dr. ­Ibrahim. Nicht vergessen darf man die Peripherie: Karpaltunnel- oder Ulnarissyndrome zählen nach Aussage des Referenten ebenfalls zu den Schmerzzuständen, die für eine elektrische Stimula­tions­therapie infrage kommen.

* Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin

Quelle: Deutscher Schmerz-und Palliativtag 2021 – ONLINE

Welche Indikationen gibt es?

  • Post-Laminektomie-Syndrom
  • komplexes regionales Schmerzsyndrom (Complex Regional Pain Syndrome, CRPS)
  • PAVK
  • Angina pectoris
  • chronische Leistenschmerzen
  • Polyneuropathie
  • Post-Zoster-Neuralgie
  • chronischer, nicht-voroperierter Rückenschmerz (Virgin-Back-Schmerz)
  • Morbus Raynaud
  • diverse Kopfschmerzsyndrome
  • atypischer Gesichtsschmerz
  • Endoprothesenschmerz
  • Endometriose