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Erneut HIV-Infizierter über Stammzellen geheilt

Autor: Dr. Daniela Erhard

Mittels Stammzellentransplantation wurden die HI-Viren ins Visier genommen. Mittels Stammzellentransplantation wurden die HI-Viren ins Visier genommen. © iStock/peterschreiber.media
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Nach dem ersten Erfolg im Jahr 2011 in Berlin ist es Wissenschaftlern wohl zum zweiten Mal gelungen, eine HIV-Infektion zu heilen.

Der im Jahr 2011 in Berlin geheilte Patient hatte neben einer Ganzkörperbestrahlung und Chemotherapie zweimal Stammzellen eines HIV-1-resistenten Spenders mit der homozygoten Genmutation CCR5Δ32 erhalten. Der „Londoner Patient“, über den Professor Dr. Ravindra­ K. Gupta von der Universität in Cambridge im März 2020 gemeinsam mit Kollegen berichtete, wurde ähnlich behandelt. Er durchlief aber ein weniger aggressives Behandlungsschema und bekam nur eine Transplantation.

Dennoch konnten die Autoren knapp vier Jahre nach der Übertragung der allogenen Stammzellen und rund 2,5 Jahre nach Absetzen der antiretroviralen Medikation keine aktive HIV-Infektion mehr feststellen. 30 Monate nach Ende der Therapie lag die Viruslast im Plasma unterhalb der Nachweisgrenze. Auch in einer Spermaprobe neun Monate zuvor waren keine Viren detektierbar. Der Darm präsentierte sich 22 Monate nach der letzten Medikamenteneinnahme ebenfalls virenfrei, genauso wie eine Liquorprobe ein Vierteljahr später.

Dass die Transplantation erfolgreich war, schließen die Autoren zudem aus der Entwicklung der Immunzellen. Die Zahl der CD4-positiven Zellen stieg in der Folge der Übertragung zwar nur langsam, hatte aber 28 Monate nach Absetzen der antiretroviralen Medikamente mit 430 Zellen/ml und einem Anteil von 23,5 % an den T-Zellen wieder nahezu das ursprüngliche Level erreicht. Darüber hinaus stammten 99 % der peripheren T-Lymphozyten vom Spender.

Trotzdem bleibt eine Unsicherheit: So fanden sich 27 Monate nach Therapieende in einem Lymphknoten neben Epstein-Barr-Viren auch geringe Mengen an HIV-DNA. Einzelne Proben von Gedächtniszellen enthielten ebenfalls solche „fossile DNA“. Und es gab noch Antikörper, die spezifisch auf das Glykoprotein HIV-1-env reagierten, das auch in dem Lymphknoten vorhanden war. Insofern ist unklar, ob das Virus nicht doch eines Tages reaktiviert werden könnte. Laut Modellberechnungen der Autoren scheint das aber eher unwahrscheinlich. Sie prognostizieren bei einem Spender-Empfänger-Chimärismus von 80 % eine 98%ige Chance auf lebenslange Remission. Stammten neun von zehn potenziellen HIV-Zielzellen vom Spender, wäre ein Rückfall nahezu ausgeschlossen.

Quellen:
1. Gupta RK et al. Lancet HIV 2020; DOI: 10.1016/S2352-3018(20)30069-2
2. Pressemitteilung – The Lancet