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Gesättigte Fettsäuren nicht generell schädlichlich: Ist der Nutri-Score zu pauschal?

Autor: Dr. Sascha Bock

Eine erhöhte Herzgefahr durch den Konsum gesättigter Fettsäuren konnten große epidemiologische Untersuchungen nicht nachweisen. Eine erhöhte Herzgefahr durch den Konsum gesättigter Fettsäuren konnten große epidemiologische Untersuchungen nicht nachweisen. © iSrock/PawelG Photo
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Gesättigte Fettsäuren gelten als ungesund. Doch so pauschal ist das nicht korrekt. Vielmehr kommt es bei der Frage, ob ein Nahrungsmittel gesund ist oder nicht, auf das Zusammenspiel der enthaltenen Bestandteile an.

Weltgesundheitsorganisation und Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfehlen, den Anteil an gesättigten Fettsäuren auf maximal 10 % der täglichen Kalorienmenge zu begrenzen. Warum eigentlich? Eine erhöhte Herzgefahr durch den Konsum konnten große epidemiologische Untersuchungen jedenfalls nicht nachweisen. Im Gegenteil: Die PURE-Studie ergab, dass Fette in der Nahrung – inkl. gesättigter Fettsäuren – mit einem niedrigeren kardiovaskulären Risiko einhergehen, erklärte Professor Dr. Ulrich Laufs vom Universitätsklinikum Leipzig.

Derartige Daten rücken den aktuell propagierten Nutri-Score in ein anderes Licht. Denn dieser beurteilt den Nährwert von Lebensmitteln anhand ihrer Bestandteile. Gesättigte Fettsäuren gelten in der Bilanz als ungünstig. Ihr Gehalt muss unter einem bestimmten Grenzwert pro 100 g bzw. 100 ml liegen, sonst erfolgt eine schlechtere Bewertung. „Das ist sehr kritisch diskutiert worden“, sagte Prof. Laufs und stellte ein State-of-the-art-Review vor, demzufolge es sich gar um eine überholte Sichtweise handelt.1

Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass gesättigte Fette per se nicht schädlich sind. Dunkler Schokolade z.B. werden kardioprotektive Effekte zugeschrieben, obwohl sie viele dieser Nährstoffe enthält. Auch in Milchprodukten und unverarbeitetem rotem Fleisch steckt ein hoher Anteil der vermeintlich ungesunden Lipide. Trotzdem erhöhen sie das Herz-Kreislauf- und Diabetesrisiko nicht. Erklären lässt sich das u.a. durch die Heterogenität der Fettsäuren (z.B. mittelkettig vs. langkettig) und die komplexe Zusammensetzung von Esswaren.

Der Score selbst wurde nie prospektiv evaluiert

Die Botschaft lautet also, ein Nahrungsmittel als Ganzes zu betrachten. Dabei könnten umsetzbare Ernährungstipps wie „Farbe grün auf dem Teller“ oder „Speisen selbst zubereiten“ helfen. Der Nutri-Score seinerseits sei nie prospektiv evaluiert worden, mahnte Prof. Laufs. Trotzdem werde er jetzt verbreitet.

1. Astrup et al. J Am Coll Cardiol 2020; 76: 844-857; DOI: 10.1016/j.jacc.2020.05.077

Quelle: 16. DGK-Kardiologie-Update-Seminar (Online-Veranstaltung)