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Geschwollene Finger – was kann es sein?

Autor: Dr. Anja Braunwarth

Kommen die Gelenkschmerzen von einer rheumatoiden Arthritis? Kommen die Gelenkschmerzen von einer rheumatoiden Arthritis? © iStock/ljubaphoto
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Ein 52-Jähriger hat Schmerzen und Schwellungen der Finger. Die Hände sind morgens steif, er fühlt sich müde und abgeschlagen. Was steckt in diesem Fall dahinter und was ist die Ursache geschwollener Finger?

Bei dem Patienten liegt eine symmetrische, ausgeprägte Schwellung der Fingergrundgelenke vor, in Beugeposition ist das darüberliegende Hautrelief verstrichen. Die Handgelenke sind schlank, obwohl der Mann auch über starke Schmerzen in diesem Bereich klagt.

Im Labor fallen Erhöhungen von Leukozyten (10 300/µl), CRP (1,8 mg/dl), BSG (35 mm), Harnsäure (7,8 mg/dl) und antinukleären Antikörpern (ANA 1 : 320) auf. Mit dieser Konstellation kommen mehrere Erkrankungen infrage, so Dr. Katinka Albrecht von der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie und Professor Dr. Uwe Lange von der Abteilung Rheumatologie und Klinische Immunologie an der Kerckhoff-Klinik in Bad Nauheim.

Geschwollene Hände und Finger: Rheumatoide Arthritis, Polyarthrose, Gicht, Psoriasis?

Für eine rheumatoide Arthritis (RA) spricht der symmetrische Befall der Hand- und Fingergrundgelenke. Dazu kommt die ausgedehnte Morgensteifigkeit – bei mehr als einer halben Stunde Dauer liegt meist eine entzündliche Erkrankung zugrunde. Die Allgemeinsymptome und die erhöhten Entzündungsparameter passen ebenfalls ins Bild.

Die degenerative Polyarthrose findet sich eher an Fingermittel- und -endgelenken sowie am Daumensattelgelenk. Morgensteifigkeit ist zwar oft vorhanden, hält aber nur maximal 30 Minuten an. Die Beschwerden sprechen auf Wärme an, während akut-entzündliche Leiden besser auf Kälte reagieren.

Gelenkbefall, Allgemeinsymptome, ANA und beschleunigte BSG – all das könnte auch auf einen systemischen Lupus erythematodes hindeuten. Nur das erhöhte CRP passt nicht, zudem fehlen Hautbeteiligung, Fieber und Organprobleme. Wegen fehlender Organsymptome (Sicca-Syndrom, Raynaud-Phänomen, Muskelschwäche) scheidet eine Mischkollagenose ebenfalls aus.

Angesichts der leicht erhöhten Harnsäure könnte eine Arthritis urica bestehen. Diese beginnt aber in der Regel monoartikulär (Großzehe, Sprunggelenk, Knie) und der Gichtanfall setzt meist sehr akut mit starkem Schmerz, Rötung und Überwärmung ein.  

Psoriasis-Arthritis auch ohne Hautbefall

Die Arthritis psoriatica kann (asymmetrisch) Gelenke beider Extremitäten befallen. An den Händen sind es typischerweise die Fingerendgelenke oder ganze Finger, an den Füßen ganze Zehen (Wurstfinger/­-zeh). Die Entzündungsparameter steigen kaum an, Allgemeinsymptome treten seltener auf. Fehlende Hautbeteiligung stellt allerdings kein Ausschlusskriterium dar (Arthritis psoriatica sine psoriase).

Die granulomatöse Polyangiitis (vormals M. Wegener) verursacht Gelenkschmerzen, aber keine Schwellung. Allgemeinbeschwerden und erhöhte Entzündungswerte gehören dazu, aber die Diagnose ist im beschriebenen Fall trotzdem unwahrscheinlich, da keine Organprobleme (HNO, Lunge, Niere) vorliegen.

Arthralgien, Morgensteifigkeit und positive Entzündungsmarker finden sich auch bei Hämochromatose, doch typischerweise manifes­tiert sich die Symptomatik nur an den MCP-Gelenken 2 und 3. Weitere typische Zeichen sind Lebervergrößerung, Diabetes mellitus, erhöhtes Ferritin/hohe Transferrinsättigung.

Schmerzen beim leichten Händedruck typisch für rheumatoide Arthritis

Vieles spricht bei dem 52-Jährigen für eine rheumatoide Arthritis. Dazu passt, dass bereits ein leichter Druck der Hand Schmerzen auslöst (Zeichen nach Gaenslen) und der Mann bei der Begrüßung nur vorsichtig die Hand gibt. Hinzu kommen ein inkompletter Faustschluss sowie ein Schmerz bei Vorfußkompression durch Beteiligung der Zehengrundgelenke.

Oft verursacht bei rheumatoider Arthritis die Volarbeugung der Hand Beschwerden und der Spitzgriff (Zusammenführen von Fingerspitzen und Daumenspitze) ist erschwert. Nach langjährigem Verlauf gerät häufig die HWS in Mitleidenschaft. Initial berichten Betroffene über unsicheren Gang, dann über Sensibilitätsstörungen bei Inklination und Reklination sowie den klassischen C2-Kopfschmerz (Hinterhaupt).

Zur Labordiagnostik gehören Rheumafaktoren und Antikörper gegen zyklisches zitrulliniertes Peptid (Anti-CCP). Rheumafaktoren finden sich ebenfalls bei 15 % der Gesunden – andererseits gibt es auch schwere Verläufe bei seronegativer RA. Anti-CCP-Antikörper gelten dagegen als spezifische RA-Marker.

Zum Ausschluss von Kollagenosen und Vaskulitiden dienen die Messung der Komplementfaktoren C3/C4 und der extrahierbaren antinukleä­ren Antikörper (ENA) sowie ein Urinstatus. Bei dem 52-Jährigen waren Rheumafaktoren und Anti-CCP nachweisbar, ENA negativ, Komplement und Urinstatus normal.

Kollagenose? Thorax röntgen!

Die Sonographie liefert weitere Hinweise. Synovitis, knöcherne Erosionen und angrenzende Weichteilveränderungen lassen sich gut darstellen. Röntgenaufnahmen beider Hände und Füße gehören ebenfalls zur Diagnostik: Jede fünfte RA beginnt ohne wesentliche Beschwerden an den Vorfußgelenken. Vor Beginn einer Basistherapie oder zum Ausschluss einer Kollagenose wird der Thorax geröntgt.

Beim vorgestellten Patienten waren die Bilder der Hände unauffällig, an den Füßen zeigten sich beidseits entzündlich-destruierende Veränderungen an den Metatarsalköpfchen V. Alle Befunde zusammen ergeben das Bild einer seropositiven, anti-CCP-AK-positiven rheumatoiden Arthritis, fassen die Experten zusammen.


Quelle: Katinka Albrecht, Uwe Lange, „Leitsymptom symmetrische Schwellungen der MCP-Gelenke – Das Krankheitsbild der rheumatoiden Arthritis“, klinikarzt 2013; 42: 448-453