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Hirnstimulation und Elektrokrampftherapie bei Demenz?

Autor: Maria Weiß

Die interventionellen Verfahren zeigen erste Erfolge bei schweren psychischen und bei Verhaltensstörungen. Die interventionellen Verfahren zeigen erste Erfolge bei schweren psychischen und bei Verhaltensstörungen. © kelly marken – stock.adobe.com
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Bei Demenzpatienten psychiatrische Symptome oder schwere Verhaltensauffälligkeiten in den Griff zu bekommen, ist gar nicht so einfach – vor allem dann, wenn die medikamentöse Therapie nicht greift oder nicht eingesetzt werden kann. Was können in solchen Fällen interventionelle Maßnahmen wie Elektrokrampftherapie oder Hirnstimulation ausrichten?

Wer Demenzpatienten betreut, kennt das Problem: Im Lauf der Zeit entwickeln die allermeisten von ihnen psychische bzw. Verhaltensauffälligkeiten. Diese reichen von Apathie, Depression, Angststörung, Wahnvorstellungen und Halluzinationen bis hin zu sexueller Enthemmung, gestörtem Schlaf, Aggression und Agitiertheit. International werden sie mit dem Akronym BPSD (behavorial and psychological symptoms of dementia) zusammengefasst.

Die meisten Betroffenen sind im höheren Alter und weisen häufig zahlreiche Komorbiditäten auf, was die medikamentöse Therapie der BPSD rasch an ihre Grenzen stoßen lässt. Zudem sind die üblichen Verhaltenstherapien bei Demenz oft nur schwer durchführbar. Sichere und effektive Alternativen könnten womöglich interventionelle Verfahren bieten, etwa die Elektrokrampftherapie oder die repetitive transkranielle Magnetstimulation. Der Frage, was mit den verschiedenen Interventionen erreichbar ist, sind Dr. Kevin Swierkosz-Lenart von der Abteilung für Psychiatrie der Universitätsklinik in Lausanne und Kollegen nachgegangen.

Die Elektrokrampftherapie (EKT) gilt heute als effektivste Behandlungsform für akute schwere Depressionen. Der genaue Wirkmechanismus ist noch nicht vollständig geklärt – man findet danach aber eine erhöhte Konzentration von zerebraler Gamma-Aminobuttersäure (GABA). Da dieser Neurotransmitter im frontalen und temporalen Kortex von Alzheimerpatienten mit Apathie und Depression vermindert ist, erscheint die Behandlung auch bei ihnen aussichtsreich.

In mehreren Fallberichten wurde die Sicherheit und Effektivität der EKT bei Agitation, Aggression, therapieresistenter Depression und störendem Verhalten (pathologisches Schreien) beschrieben. Auch eine Kohortenstudie und eine kleine prospektive Untersuchung weisen in diese Richtung. Dass die EKT auch von älteren Menschen gut vertragen wird und bei ihnen so effektiv ist wie bei jüngeren, weiß man aus Studien zur Indikation schwere Depression.

Die repetitive transkraniale Magnetstimulation (rTMS) wird auch zur Behandlung therapieresistenter depressiver Störungen eingesetzt. Sie gilt zwar als weniger effektiv als die EKT, hat aber weniger Nebenwirkungen und wird von Patienten eher akzeptiert. In einer doppelblinden placebokontrollierten Studie wurde bei 26 Patienten mit Alzheimer-Demenz zusätzlich zu einer niedrig dosierten antipsychotischen Medikation der linke dorsolaterale präfrontale Kortex stimuliert. Dabei zeigte sich unter der rTMS eine Verbesserung von kognitiven Funktionen und affektiver BPSD. Auch bei Halluzinationen sowie bei Patienten mit leichten kognitiven Einschränkungen und Apathie ließen sich erste Erfolge erzielen. Die rTMS ist von leichten lokalen Schmerzen abgesehen gut verträglich und scheint nach bisherigem Wissen die Kognition nicht zu beeinträchtigen.

Die transkraniale direkte Stimulation (tDCS) ist einfacher durchzuführen, da die Stimulation über zwei an einem Gummikopfband befestigten Oberflächenelektroden erfolgt. Gemäß einem Review von 125 Arbeiten scheint die tDCS eine bis dahin therapieresistente Major-Depression bessern zu können. Allerdings waren die Studienergebnisse nicht konsistent, es gab auch negative Studien. Auch bei Halluzinationen im Rahmen einer Schizophrenie hat sich die Methode bereits als wirksam erwiesen. Erfahrungen bei BPSD liegen bisher nicht vor, entsprechende Studien könnten sich aber lohnen, schreiben die Autoren.

Die tiefe Hirnstimulation (DBS) ist eine invasive Methode, bei der Elektroden in spezifische Regionen des Hirns eingepflanzt werden. Bisher gibt es nur eine Phase-1-Studie bei sechs Patienten mit Alzheimer-Demenz mit dem Ziel, die Gedächtnisleistungen zu verbessern. Nur in einem Teil der Fälle konnte man eine Verlangsamung des kognitiven Abbaus beobachten. Bevor man die Methode bei BPSD in prospektiven Studien untersucht, ist ein besseres Verständnis der komplexen Ätiopathogenese und Neuroanatomie erforderlich, schreiben Dr. Swierkosz-Lenart und Kollegen.

Auch die invasive oder transkutane Vagusstimulation (iVNS bzw. tVNS) haben in verschiedenen Arbeiten einen positiven Effekt auf Depressionen gezeigt. In zwei kleineren Studien mit Alzheimer-Patienten beobachtete man eine Verbesserung der kognitiven Fähigkeiten, das Sicherheitsprofil war gut. Speziell bei BPDS wurde die Vagusstimulation bisher aber noch nicht eingesetzt.

Nach Einschätzung von Dr. Swierkosz-Lenart und Kollegen verspricht die EKT bislang den größten Erfolg bei psychischen und Verhaltensstörungen von Demenzpatienten, sodass dieser Ansatz in entsprechenden Studien weiter verfolgt werden sollte. Die rTMS könnte insbesondere dazu beitragen, die neurobiologischen Mechanismen hinter den verschiedenen Manifestationen besser zu verstehen. Für tDCS, VNS und DBS halten sie die Datenlage bisher noch nicht für ausreichend.

Quelle: Swierkosz-Lenart K et al. Swiss Med Wkly 2019; 149: w20140; DOI: 10.4414/smw.2019.20140