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Jugendhilfe, psychiatrische Therapie und Diabeteslangzeiteinrichtungen bei Typ-1-Diabetes

Autor: Alisa Ort

Ziel der Langzeittherapie ist es, die Krankeitsakzeptanz zu verbessern und diabetesbezogene Kompetenzen zu stärken. Ziel der Langzeittherapie ist es, die Krankeitsakzeptanz zu verbessern und diabetesbezogene Kompetenzen zu stärken. © iStock.com/Fertnig
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Die Auseinandersetzung mit einer chronischen Erkrankung wie Typ-1-Diabetes ist eine Herausforderung für die Psyche – und ohne ausreichende Unterstützung in der Kindheit und Adoleszenz kaum zu bewältigen. Wer hilft, wenn die Familie an ihre Grenzen stößt?

Wenn auf Kinder und Jugendliche mit Typ-1-Diabetes ungünstige soziale Faktoren, wie schlechte Familienstrukturen oder mangelnde Erziehungskompetenz der Eltern, treffen, ist eine gute Krankheitsversorgung gefährdet. Ebenso können psychische Komorbiditäten wie ADHS, Depressionen, Ängste, gestörtes Essverhalten oder Störungen des Sozialverhaltens der jungen Patienten sich negativ auf das Krankheitsmanagement auswirken. Auch eine Lese- oder Rechenschwäche ist ein Problemfaktor.

Daher sollten bereits zu Beginn der Diabetesersteinstellung psychische Faktoren wie Selbststeuerung/Impulsivität, Ängstlichkeit, Motivation und die familiäre Situation beurteilt werden, konstatierte der in Herdecke niedergelassene Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie Dr. Michael Meusers.

Der HbA1c-Wert als gemeinsamer Erfolgsmaßstab

Eine Kinder- und Jugendpsychiaterin bzw. ein -psychiater kann dann im gegebenen Fall zusammen mit der Diabetologin bzw. dem Diabetologen den Hilfebedarf definieren. Sollte der Patient selbst oder die Familie nicht ausreichend „selbsthilfefähig“ sein, muss die notwendige Unterstützung von der Kinder- und Jugenhilfe konkretisiert und umgesetzt werden.

Dabei gilt in der Zusammenarbeit von Diabetologen und Psychiatern laut Dr. Meusers der Grundsatz: Das Maß für eine erfolgreiche Behandlung muss für beide Parteien der HbA1c-Wert sein.

Ambulant erschöpft? Diabeteslangzeiteinrichtungen

Bei anhaltenden, gravierenden und latent lebensbedrohlichen Störungen der Krankheitsakzeptanz und Krankheitsverarbeitung sowie bei schwerwiegenden Störungen im psychosozialen Bereich ist ein langfristiger Aufenthalt in einer Diabeteslangzeiteinrichtung möglich, in der eine intensive psychologische bzw. psychotherapeutische, diabetologische und pädagogische Betreuung gewährleistet ist, erläuterte der Fachpsychologe Marcelus Jivan, CJD Berchtesgaden. Im Vorfeld sollten alle ambulanten und stationären Möglichkeiten ausgeschöpft sein.

Gesetzliche Finanzierungsmöglichkeiten

SGB V, gesetzliche Kranken- versicherung, SGB VI - DRV
  • Enge ambulante Einbindung
  • Stationäre Aufnahme für einige Tage
  • Rehabilitationsaufenthalt für 4–6 Wochen
SGB VIII, Kinder- und Jugendhilfe, §§ 27, 34, 35(a)
  • Langfristige Betreuung mit Fremdunterkunft
  • Langfristige Betreuung mit Tagesunterkunft
SGB XII, Sozialhilfe, §§ 53, 54 (Behinderung, Teilhabe an der Gesellschaft eingeschränkt)
  • Langfristige Betreuung mit Fremdunterkunft
  • Sozialamt/Landeswohlfahrtsverband zuständig
SGB III, Arbeitsförderung nach SGB IX § 51
  • Langfristige Betreuung mit Fremdunterkunft

Kinder und Jugendliche, die in die Langzeiteinrichtung im CJD Berchtesgaden aufgenommen werden, weisen meist HbA1c-Werte von über 10 % auf und haben in der Vergangenheit häufig Ketoazidosen und/oder Hypoglykämien erlitten, berichtete Jivan. Dysfunktionelle Strukturen und/oder psychiatrische Komorbiditäten spielen dabei meist eine wichtige Rolle. „Viele der Kinder und Jugendlichen haben Schwierigkeiten, an verschiedenden Lebensbereichen teilzuhaben, häufig weisen sie hohe Schulfehlzeiten auf“, so der Fachpsychologe. Ziel der Langzeittherapie ist es, die Krankeitsakzeptanz zu verbessern und diabetesbezogene Kompetenzen zu stärken, um die Betroffenen langfristig in ihre Familien zurückführen zu können, betonte Jivan. 

Quelle: JA-PED 2018