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Statine Keine Panik bei erhöhter Kreatinkinase

Autor: Dr. Elke Ruchalla

Muskelschmerzen müssen nicht gleich etwas Gefährliches bedeuten. Abklären sollte man die erhöhte Kreatinkinase-Konzentration trotzdem. Muskelschmerzen müssen nicht gleich etwas Gefährliches bedeuten. Abklären sollte man die erhöhte Kreatinkinase-Konzentration trotzdem. © BigBlueStudio – stock.adobe.com
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Erhöhte Konzentrationen der Kreatinkinase unter Statinen beunruhigen noch heute Betroffene und Ärzte – zu gut ist der Statin-Skandal von 2001 noch in Erinnerung. Es gibt aber zahlreiche andere Ursachen, bei denen erst einmal zugewartet werden kann.

Die Kreatinkinase (CK) gilt als Muskelmarker, erhöhte Werte sprechen für einen Muskelschaden. „Erhöht“ ist aber ein weites Feld: Die Referenzwerte schwanken von Labor zu Labor und von Testmethode zu Testmethode, schreiben Dr. Eun­ Ji Kim und Dr. ­Anthony Wierzbicki­ vom Department of Metabolic Medicine/Chemical Pathology von den Guy’s & St. Thomas’ Hospitals in London. Fest steht hingegen:

  • Für Männer gelten aufgrund des oft höheren Muskelanteils höhere Referenzwerte als für Frauen: 40–320 IU/l gegenüber 25–200 IU/l.
  • Bei älteren Menschen liegen die Werte niedriger, da sich die Muskelmasse allmählich auf dem Rückzug befindet.

Das bedeutet, Werte, die bei einem jungen Mann noch als normal gelten, sollten bei älteren Frauen schon zum genaueren Hinsehen führen.

Wer keine CK misst, findet auch keine Erhöhung

Ein Zitat aus „House of God“ sagt sinngemäß: Wenn man keine Temperatur misst, muss man auch kein Fieber behandeln. Lassen Sie die Bestimmung der CK also am besten einfach weg? Besser nicht. Indiziert ist die Messung
  • bei Patienten mit unklaren Muskelschmerzen, unabhängig von einer Lipidsenker- oder anderen medikamentösen Therapie
  • eventuell als Ausgangswert vor einer Statingabe bei Risikopatienten
  • bei positiver Eigen- oder Familienanamnese für Myalgien, frühere Autoimmunerkrankungen, Nierenerkrankungen (vor allem nephrotisches Syndrom), HIV-Infektion
Bei akuten Infektionen oder chronischen Systemerkrankungen, die eine Myositis verursachen können, ist die Messung dagegen von geringer klinischer Aussagekraft – es sei denn, man vermutet einen Nierenschaden.

Einfache Myalgien tun weh, sind aber nicht gefährlich

Allerdings lässt nicht jedes Muskelwehwehchen die Kreatinkinase hochschnellen: Einfache Myalgien etwa sind nur schmerzhaft, ohne dass Muskelzellen zugrunde gehen, während bei Myopathien zu den Schmerzen die CK-Erhöhung kommt. Rhabdomyolysen schließlich lassen die Alarmglocken schrillen. Es besteht eine massive Zerstörung von Muskelgewebe, das frei werdende Myoglobin kann die Nieren quasi „verstopfen“ und zum akuten Nierenversagen führen. Kennzeichen sind Muskelschmerzen, Muskelschwäche mit eventuellen Schwellungen, Myoglobinurie und stark erhöhte CK-Spiegel (mehr als 5.000 IU/l). Als Ursachen eines CK-Anstiegs kommen infrage:
  • Sport (v.a. Krafttraining und wenn zu wenig getrunken wird), operative Eingriffe, übermäßiger Alkoholkonsum mit Thiaminmangel
  • Endokrinopathien, z.B. Schilddrüsenunterfunktion, Morbus Cushing
  • Autoimmunerkrankungen wie Lupus erythematodesrheumatoide Arthritis
  • erbliche Myopathien, z.B. Muskeldystrophien Typ Duchenne oder Typ Becker, Glykogenspeicherkrankheiten
Aber die Kreatinkinase kann auch ansteigen, ohne dass die Muskulatur des Betroffenen überhaupt Laut gibt. Dazu gehören etwa Wechselwirkungen von Medikamenten, die in der Leber über das gleiche Enzymsystem (Cytochrom P450) verstoffwechselt werden, z.B. Makrolidantibiotika, Azol-Antimykotika, Retinoide, Krebstherapeutika und Nukleosidanaloga, um nur einige zu nennen. Statine stehen auf einem anderen Blatt, denn sie zerstören – selten (!) – direkt oder über ein Zwischenprodukt die Muskelzellen selbst. Die resultierenden Schmerzen und (meist moderaten) CK-Anstiege beginnen innerhalb von einem bis drei Monat(en) nach Therapiebeginn oder Dosiserhöhung – in letzterem Fall verschwinden sie, sobald die Dosis wieder reduziert wird. Wobei eine weniger intensive Therapie die Nebenwirkung nicht automatisch ausschließt und nicht alle Statine gleichermaßen „toxisch“ sind: Muskelprobleme treten eher bei Pravastatin und Simvastatin auf als bei Rosuvastatin und Atorvastatin. Im Zweifelsfall kann man das Statin auch eine Zeit lang absetzen und später erneut verordnen. Erstaunlich häufig verträgt der Patient es dann ohne Schwierigkeiten.

Statine bei nekrotisierender Myopathie kontraindiziert

Eine sehr seltene Form der Statin­nebenwirkung ist die immunvermittelte nekrotisierende Myopathie. Diese verursacht schwere Symptome und bessert sich oft auch durch alleiniges Absetzen nicht. Der Nachweis erfolgt über entsprechende Antikörper. Bei solchen Patienten besteht eine absolute Kontraindikation für diese Substanzklasse. Und wie geht es nun weiter? Die Therapie richtet sich nach der Ursache (s. Tabelle). In vielen Fällen reicht es vorerst, abzuwarten. Eventuell müssen Medikamente abgesetzt, reduziert oder gewechselt werden. Falls der Anstieg einer anderen Erkrankung folgt, sollte diese behandelt oder der Patient zum passenden Fachkollegen überwiesen werden.
Weiteres Vorgehen bei erhöhten CK-Werten
CK unterhalb des vierfachen oberen Grenzwerts (ca 500 IU/l) sowie keine/geringe Muskelschmerzen
  • meist sportbedingt, geht nach drei bis sieben Tagen zurück → Kontrolltermin
  • eventuell Medikamentencheck auf Interaktionen
  • Familiengeschichte erfragen
CK zwischen dem vier- und zehnfachen oberen Grenzwert, Muskelschmerzen i.d.R. gering
  • Ursachen am ehesten Hypothyreoidismus oder Medikamente
  • Kontrolle von Leber-, Nieren- und Schilddrüsenwerten, Elektrolyten (Kalzium, Phosphat, Magnesium) und Vitamin D
  • je nach Klinik großes endokrinologisches Profil, Entzündungsmarker, Autoantikörper
  • bei älteren Patienten: möglicher Hinweis auf Autoimmunerkrankung, Überweisung zum Rheumatologen andenken
CK oberhalb des zehnfachen oberen Grenzwerts zusammen mit Muskelschmerzen/ -schwäche und/oder -schwellungen
  • zügig an Spezialisten überweisen, um Rhabdomyolysen/Myoglobinurie und Nierenschäden auszuschließen, Statine (falls vorhanden) sofort absetzen!
  • grobe Einschätzung von Myoglobin im Urin: Stix zweifach positiv für Blut, aber mikroskopisch keine Erys sichtbar
  • bei normaler Nierenfunktion genetische oder metabolische Ursache abklären
Sonderfall: Patient mit anamnestisch bekannten Muskelschmerzen
  • bei anhaltend hoher CK: zunächst Niere und Schilddrüse abklären
  • weitere Untersuchungen nach Klinik, siehe „Ursachen“ im Text, ggf. Überweisung zum Neurologen (genetisch bedingte Muskelerkrankung)

Quelle: Kim EJ, Wierzbicki AS. BMJ 2021; 373: n1486; DOI: 10.1136/bmj.n1486