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Stufendiagnostik Kommt ein Patient mit erhöhten Leberwerten zum Arzt

Autor: Dr. Anne Benckendorff

Sind die Leberwerte erhöht, steckt in vielen Fällen eine Fettleber dahinter. Sind die Leberwerte erhöht, steckt in vielen Fällen eine Fettleber dahinter. © iStock/prill; iStock/Moussa81
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Etwa 20 % der Patienten, die sich beim Hausarzt vorstellen, haben erhöhte Transaminasen, Tendenz deutlich steigend. Die Ursache ist meist schnell gefunden – wenn man weiß, worauf es zu achten gilt.

Metabolische Risikofaktoren und die Fettleber stellen die häufigsten Gründe für Leberwerterhöhungen bei Erwachsenen dar, erläuterte Professor Dr. Verena­ Keitel­ vom Universitätsklinikum Magdeburg. Über die Hälfte der Betroffenen weist mehr als eine Ursache auf, darunter Übergewicht, Typ-2-Diabetes, Dyslipidämie, Alkoholabusus und Hepatitiden.

Solange die Transaminasen nicht massiv (d.h. mehr als das 15-Fache des Normwerts) erhöht sind, sollte die übliche Stufendiagnostik aus Laboruntersuchungen (Eiweiß­elektrophorese, Suchtests auf virale Hepatitiden, Ferritin/Transferrin, Autoantikörper, Kupferwerte) und Sonographie, ggf. inklusive weiterer nicht-invasiver Testverfahren (z.B. Elastographie), angestoßen werden.

80 % der Fettleberpatienten haben eine Begleiterkrankung

Eine Fettleber ist nicht gutartig, warnte Professor Dr. ­Frank Tacke­ von der Charité–Universitätsmedizin Berlin: Zum einen besteht das Risiko, dass sich aus der NAFLD eine NASH und schließlich eine Zirrhose und ein hepatozelluläres Karzinom entwickeln kann. Zum anderen weisen 80 % der Betroffenen mit Fettleber mindestens eine Komorbidität auf, darunter Adipositas, Fettstoffwechselstörungen, Bluthochdruck und Typ-2-Diabetes, die ebenfalls für die Prognose der Patienten relevant sind.

Weil bei NAFLD die Gesamtsterblichkeit mit der Entwicklung einer Fibrose zunimmt, gilt es, Risikopatienten dafür möglichst frühzeitig zu identifizieren. Hierzu sollte laut Prof. Tacke der FIB-4-Score berechnet werden, für den das Alter, die Transaminasen und die Thrombozyten berücksichtigt werden. Er hat sich in einer aktuellen Analyse in der Vorhersage sowohl einer Fibrose als auch einer Zirrhose gegenüber verschiedenen Einzelwerten als überlegen erwiesen. Ein hoher FIB-4-Score war zudem mit einem deutlich erhöhten Risiko für ein HCC assoziiert. Bei einem niedrigen FIB-4-Wert (< 1,3) reichen regelmäßige Verlaufskontrollen aus, sagte Prof. Tacke. Dagegen ist bei einem hohen FIB-4-Score (> 2,67) von einer fortgeschrittenen Lebererkrankung auszugehen, die die Expertise eines Hepatologen und weitere Untersuchungen erfordert.

Bei intermediärem FIB-4-Score sollte spätestens bei Persis­tenz nach erneuter Kontrolle ebenfalls eine weitere Abklärung erfolgen (z.B. Elastographie, ggf. Monitoring und Therapie von Komplikationen). Die neue Leitlinie wird hierzu einen Algorithmus enthalten.

Darüber hinaus ist der FIB-4-Score laut Prof. Tacke auch ein Marker für kardiovaskuläre Komplikationen: So war in einer großen Kohorte von Patienten mit kardiometabolischen Erkrankungen, aber ohne schwere Leberwerterhöhungen das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse umso größer, je höher der FIB-4-Score war.

Bei der Mehrheit der Patienten mit erhöhten Leberwerten ist die Ursache schnell gefunden: metabolische Risikofaktoren, Alkoholkonsum, Virushepatitis. Mitunter können aber auch bei jungen sportlichen Menschen die Leberwerte deutlich erhöht und im ­Ultraschall eine Steatose nachweisbar sein. Dann stellt sich die Frage nach der genetischen Konstellation. Wie Prof.­ Keitel­ ausführte, ist heute eine Reihe von Genen bekannt, die mit Blick auf die NAFLD-Progression eine förderliche bzw. protektive Wirkung haben. Risikoallele wie ­PNPLA3, TM6SF2 und MBOAT7 beeinflussen sämtliche NAFLD-Stadien, also sowohl das Risiko, eine NAFLD zu entwickeln, als auch das einer Progression zu Fibrose, Zirrhose und zum HCC. Insbesondere wenn mehrere genetische Risikofaktoren zusammenkommen, steigt das Risiko deutlich: In einer Studie erhöhte sich die Wahrscheinlichkeit für eine Zirrhose bei 5–6 Risikofaktoren auf das 12-Fache und für ein hepatozelluläres Karzinom sogar auf das 30-Fache.

Eine zugelassene Therapie exis­tiert bislang nicht. Es empfiehlt sich daher ein regelmäßiges Progressions- und HCC-Screening. Da der Body-Mass-­Index die Effektstärke der genetischen ­Risikofaktoren zusätzlich beeinflusst, sollte er im niedrig-­normalen Bereich gehalten werden, erklärte Prof. Keitel.

Quelle: Viszeralmedizin 2021