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Reizdarmbeschwerden Lebensstil überdenken und Ernährung umstellen

Autor: Dr. Andrea Wülker

Die richtige Ernährung kann schon dazu beitragen, dass sich der Darm beruhigt. Die richtige Ernährung kann schon dazu beitragen, dass sich der Darm beruhigt. © iStock/RossHelen
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Von einem Reizdarm sind bis zu 16,6 % der Menschen in Deutschland betroffen. Das Syndrom ist eine dia­gnostische Herausforderung, die Therapie häufig unbefriedigend. Was empfehlen Experten?

An der Entwicklung des Reizdarmsyndroms (RDS) scheinen verschiedene Faktoren beteiligt zu sein; diskutiert werden u.a. viszerale Hypersensitivität, bakterielle Fehlbesiedelung des Dünndarms, gestörte Immunregulation, aber auch psychosoziale Faktoren. Üblich ist eine medikamentöse Therapie der Beschwerden: Antidiarrhoika bei Durchfall, Laxanzien bei Obstipation, außerdem Spasmolytika und Schmerzmittel. Da das oft nicht ausreichend hilft und viele RDS-Patienten berichten, dass sich ihre Beschwerden nach dem Essen verschlimmern, stellt sich die Frage nach einer gezielten Ernährungsumstellung.

Die Empfehlungen des britischen National Institute for Health and Care Excellence (NICE) können für RDS-Betroffene eine gute Hilfestellung sein, ihre Darmprobleme selbst positiv zu beeinflussen, schreiben Professor Dr. Yurdagül­ Zopf und Privatdozentin Dr. Walburga­ ­Dieterich vom Universitätsklinikum Erlangen.

Weniger Blähungen mit Leinsamen und Hafer

Das NICE informiert RDS-Patienten über einen gesunden Lebensstil, die positiven Auswirkungen von körperlicher Aktivität und die Möglichkeiten der medikamentösen Therapie. Zum Thema Ernährung rät das NICE u.a.:

  • Regelmäßig und in Ruhe essen, keine Mahlzeit weglassen.
  • Über den Tag verteilt acht Tassen Flüssigkeit (bevorzugt Wasser und Kräutertee) trinken, maximal drei Tassen Kaffee oder koffeinhaltigen Tee.
  • Wenig Alkohol und kohlensäurehaltige Getränke konsumieren.
  • Stark fetthaltige Nahrungsmittel einschränken, ebenso resistente Stärke, die häufig in verarbeiteten Lebensmitteln enthalten ist.
  • Nicht mehr als drei Portionen Obst pro Tag essen (insgesamt höchstens 240 g).
  • Bei Blähungen und Völlegefühl können Leinsamen oder Hafer die Beschwerden lindern (maximal 1 Esslöffel pro Tag).
  • Besonders bei Durchfällen: stark ballaststoffhaltige Nahrungsmittel einschränken (Vollkornmehl, Vollkornreis, Zuckermais, Hülsenfrüchte etc.) und Zuckeralkohole wie Sorbit und Mannit meiden, die vor allem in Kaugummis und zuckerreduzierten Getränken enthalten sind.

Die Einhaltung der NICE-Tipps bessert die RDS-Symptome oft, aber nicht immer. Bei nicht ausreichendem Ansprechen können die Patienten ggf. von einer FODMAP*-­reduzierten Ernährung profitieren. ­FODMAP sind kurze, wenig oder nicht verdauliche Kohlenhydrate, die von Darmbakterien fermentiert werden und stark osmotisch wirken. Dies bedingt eine Ansammlung von Flüssigkeit und Gas im Darm. Wichtige Vertreter sind z.B. Fruktose, Laktose, Fruktane sowie Sorbit und Mannit.

Glutenfrei kann helfen

Sollte eine FODMAP-arme Ernährung keine angemessene Symptomlinderung bringen, empfehlen die Autorinnen glutenfreie Kost. Experten schätzen, dass bis zu 50 % der RDS-Patienten von einer solchen Ernährung profitieren können.

Eine ­FODMAP-arme Ernährung kann bei bis zu 86 % der RDS-Patienten Beschwerden wie Bauchschmerzen, Blähungen, Verstopfung und Durchfall lindern. Andererseits ist diese Diät sehr komplex und restriktiv und sollte nur unter professioneller Anleitung und zunächst zeitlich begrenzt für vier bis acht Wochen eingehalten werden. Anschließend empfiehlt es sich, ­FODMAP-reiche Lebensmittel schrittweise wieder einzuführen und den Speisezettel zu erweitern. Nur diejenigen ­FODMAP, die tatsächlich Beschwerden hervorrufen, sollte der Patient weglassen. Da RDS-Betroffene oftmals eine andere Zusammensetzung des Darmmikrobioms aufweisen als Darmgesunde, können zum Aufbau einer gesunden Mikrobiota Probiotika gegeben werden. Welche Präparate am besten geeignet sind, muss individuell getestet werden.

* fermentierbare Oligo-, Di- und Monosaccharide und Polyole

Quelle: Zopf Y, Dieterich W. internistische praxis 2021; 64: 39-50