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Therapieauswahl Leitlinien floppen beim schweren Asthma bronchiale

Autor: Manuela Arand

Schlüsselfragen zum Einsatz von Biologika zur Behandlung von schwerem Asthma bleiben bisher unbeantwortet. Schlüsselfragen zum Einsatz von Biologika zur Behandlung von schwerem Asthma bleiben bisher unbeantwortet. © iStock/Aleksei Morozov
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An Leitlinien zum Management des schweren Asthma bronchiale herrscht wirklich kein Mangel. Aber halten die Empfehlungen, was sie versprechen?

Unabhängig davon, ob sie von der Global Initiative for Asthma (GINA) stammen oder von  europäischer und amerikanischer Fachgesellschaft (ERS*/ATS**) gemeinsam erarbeitet wurden: Professor Dr. Fernando D. Martinez, College of Medicine, Tucson, zweifelt am praktischen Nutzen der aktuellen Empfehlungen zum Asthma bronchiale. „Natürlich können Leitlinien immer nur so gut ausfallen, wie es die zugrunde liegenden Studien und Daten hergeben“, räumte der Pneumologe und Pädiater ein. Die vorhandenen Lücken seien allerdings (noch) beträchtlich. 

Biologika-Empfehlungen zu unpräzise

In folgenden Punkten sind sich GINA und ERS/ATS im Hinblick auf das schwere Asthma einig:

  • Die Zugabe von LAMA zu ICS/LABA hat eine starke Empfehlung – übrigens die einzige in den Leitlinien. Alle anderen gehören in die Kategorie „kann man machen“ mit schwacher Evidenz.
  • Biologika bieten neue und wirksame Alternativen für die Minderheit von Patienten, die auf die Standardtherapie nicht anspricht.
  • Es gibt keine standardisierten Verfahren, um die Response auf diese Add-on-Therapien zu erfassen.
  • Thermoplastie ist mit Vorsicht zu genießen.
  • Subkutane Immuntherapie wird bei schwerem Asthma nicht empfohlen.
  • Azithromycin dreimal pro Woche „kann erwogen werden“. 

Eines der größten Probleme sieht Prof. Martinez in der dürftigen Evidenz, welches Biologikum im Einzelfall den Vorzug bekommen sollte. Mit geringfügigen Unterschieden stützen sich alle drei verfügbaren Klassen – Anti-IgE-, Anti-IL4-Rezeptor- und Anti-IL5/IL5-Rezeptorantikörper – auf die gleichen Prädiktoren, nämlich hohe Exazerbationsrate, hohe Eosinophilenzahl und hohes FeNO. „Das Herangehen verläuft zurzeit nach dem Prinzip Versuch und Irrtum – es kostet viel Geld und bringt nur allzu oft eine schlechtere Symptomkontrolle“, monierte Prof. Martinez. „Wir brauchen dringend einen präzisionsmedizinischen Zugang zu diesem Feld.“

Viele Schlüsselfragen zu Biologika bei schwerem Asthma sind unbeantwortet. Sie betreffen u.a. Biomarker, mit denen sich die individuelle Response im Vorfeld abschätzen lässt, das Potenzial der Antikörper, den Krankheitsverlauf zu modifizieren, und praktische Aspekte wie Langzeitsicherheit bei Komorbiditäten und Polypharmazie, Therapiedauer und Dosismodifikation, wenn die Behandlung gut anschlägt. 

Was GINA explizit thematisiert ist die Tatsache, dass das Label „schweres Asthma“ bisher nur retrospektiv erteilt werden kann. Es gibt keine Möglichkeit à priori festzustellen, ob eine schlechte Asthmakontrolle auf das Konto unbehandelter Komorbiditäten, mangelnder Adhärenz und schlechter Inhalationstechnik geht oder dem Schweregrad der Erkrankung geschuldet ist. 

Schließlich erfüllt nur einer von sechs Patienten mit schwierig zu behandelndem Asthma bei genauer Betrachtung die Kriterien des schweren Asthmas. „Wir brauchen unbedingt Leitlinien für schwer kontrollierbares und durch Non-Adhärenz bedingtes Asthma.“ Letzteres komme viel häufiger vor als das schwere Asthma, gefährde den Patienten aber ebenso, betonte Prof. Martinez.

Um die Adhärenz steht es selbst bei Patienten mit schwerem Asthma nicht zum Besten. Die Analyse einer frisch auf ICS/LABA eingestellten Real-Life-Kohorte ergab, dass sogar von den 13 %, deren Adhärenz als gut eingeschätzt wurde, nur 60 % ihr Medikament nach einem Jahr noch konsequent applizierten. „Da stellt sich die Frage, ob das Beharren auf gute Adhärenz vor Einsatz von Biologika realistisch ist“, meinte der Pneumologe. „Warum behandeln wir inadhärente Asthmatiker eigentlich anders als Patienten mit COPD, die weiter rauchen?“, fragte er.

Adhärenz nicht zur Vorbedingung machen

Das sieht übrigens auch das Expertengremium von ERS/ATS so. Es rät, bei Hochrisikopatienten – jedenfalls denen, die knapp einer tödlichen Asthmaattacke entgangen sind – eine passagere Antikörpertherapie anzudenken. „Eine Strategie, erst zu behandeln, dann die Adhärenz anzugehen, könnte am Ende Leben retten.“

* European Respiratory Society
** American Thoracic Society

Kongressbericht: ATS 2021 International Conference (Online-Veranstaltung)