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Patienten gut aufklären, um gefährliche Selbstmedikation zu vermeiden

Autor: Michael Brendler

Das Internet kann viel, aber nicht alles und besonders keinen Arzt ersetzen. Das Internet kann viel, aber nicht alles und besonders keinen Arzt ersetzen. © iStock.com/RichLegg
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Informationen zum Dauerbrenner Vitamin-D-Mangel finden sich im Internet genügend. Die entsprechenden Präparate gibt’s einen Mausklick weiter. Bevor Patienten völlig unkontrolliert bei den teils dubiosen Mittelchen zugreifen, sollten Ärzte sie gründlich aufklären.

Ein Gesamtkalzium von 4,2 mmol/l, zunehmend abgeschlagen, etwas wackelig auf den Beinen und ein wenig langsamer im Denken und Sprechen: Zusammengenommen schrillten beim Hausarzt gleich die Alarmglocken. Ohne zu zögern überwies er die 76-Jährige als Notfall ins Kantonsspital St. Gallen. Dort trafen die Kollegen um Dr. Catherine­ Beglingers­ auf eine zwar schläfrige, ansonsten aber stabile Patientin.

Medikamente eigenständig durch „Natürliches“ ersetzt

Neben der Hyperkalzämie fiel ein deutlich erhöhter Vitamin-D-Spiegel auf (309 nmol/l). Zudem lag das Kreatinin bei bekannter chronischer Niereninsuffizienz weit außerhalb der Norm. Einen Hyperparathyreo­idismus konnten die Ärzte ebenso wie Tumorerkrankungen, Sarkoidose und Tbc ausschließen. Aufgrund der laborchemischen Befunde war für sie eine Vitamin-D-Intoxikation als Ursache wahrscheinlich.

Und tatsächlich erzählte die Dame dann auch, vier Monate zuvor in Youtube-Videos etwas über vielversprechende Therapieerfolge mit Naturheilpräparaten, Kalzium und Vitamin D gelernt zu haben. Damit hoffte sie wohl, ihrer rheumatoiden Arthritis begegnen zu können, die sie bereits seit mehr als 50 Jahren plagt. Daraufhin hatte sie die meisten Medikamente abgesetzt und durch natürliche Mittelchen ersetzt, die sie aus dem Internet und Drogerien bezog. Wie viel Vitamin D sie letztlich pro Tag zu sich nahm, konnten die Kollegen nicht mehr feststellen.

Das Internet soll das Leben leicht und die Nutzer im besten Falle schlau machen, so die Autoren. Angesichts der oft mangelhaften Qualität der Informationen ging das bei dieser Patientin gehörig daneben. Rechtzeitig erkannt können Ärzte eine Vitamin-D-Intoxikation in der Regel gut behandeln und Langzeitschäden vermeiden. Deshalb bei unklaren Wesensveränderungen nach OTC-Produkten eine Hyperkalzämie und Vitamin-D-Vergiftung im Hinterkopf behalten. An erster Stelle muss jedoch die sorgfältige Aufklärung über potenzielle Neben- und Wechselwirkungen stehen.

Die Patientin litt an einer Nephrokalzinose

Nach einer initialen NaCl-Gabe, anschließender Behandlung mit Schleifendiuretika sowie der Erhöhung der Prednisondosierung und einer antiresorptiven Therapie mit Denosumab und Pamidronat gelang es den Autoren schließlich, das ionisierte Kalzium auf Normwert abzusenken. Der Vitamin-D-Wert war nach Entlassung der Patientin zwar rückläufig, aber noch immer erhöht. Die Kollegen merken an, dass mehrere Wochen bis Monate vergehen können, bevor er sich wieder normalisiert. Grund sind die fettlöslichen Eigenschaften des D-Vitamins.

Kopfzerbrechen bereitete den Autoren hingegen die Niere der Dame, die sich zunächst gar nicht erholen wollte. Mittels Biopsie konnten sie schließlich eine Nephrokalzinose ausmachen und entsprechend reagieren. Drei bis vier Monate später bewegten sich die meisten Laborparameter wieder im Normbereich.

Quelle: Beglinger C et al. Swiss Med Forum 2018; 18: 796-799