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Anamnesegespräch Penicillinallergie hinterfragen und überprüfen

Autor: Sabine Mattes

Oft würden auch nicht-allergische Reaktionen als Allergie gewertet. Alternativen liefern aber nicht immer gleichwertige Ergebnisse und sind häufig teurer. Oft würden auch nicht-allergische Reaktionen als Allergie gewertet. Alternativen liefern aber nicht immer gleichwertige Ergebnisse und sind häufig teurer. © iStock/Sinhyu
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Geben Patienten an, eventuell unter einer Penicillinallergie zu leiden, lohnt es, genauer nachzufragen. Denn häufig ist ein Ausweichen auf alternative Antibiotika gar nicht nötig.

Viele Patienten geben im Anamnesegespräch an, unter einer Penicillinallergie zu leiden. Allerdings folgen nur auf 0,5–2 % aller Penicillingaben Hypersensitivitätsreaktionen, schreibt Sophie Zieschang vom Sana Klinikum Offenbach. Oft würden zur Sicherheit auch nicht-allergische Reaktionen, z.B. ein virales Exanthem, als Allergie gewertet. Bei einer antibiotisch behandlungspflichtigen Erkrankung muss dann auf eine Alternative zurückgegriffen werden. Diese liefert in Bezug auf die Wirksamkeit aber nicht immer ein gleichwertiges Ergebnis, zudem sind die Kosten oft höher. Insbesondere Reserveantibiotika haben zum Teil ein ungünstigeres Nebenwirkungsprofil und tragen zur Entstehung von Resistenzen bei.

Patienten lassen sich in drei Risikogruppen einteilen

Aus diesem Grund sei es wichtig, die Allergie über eine Anamnese genau zu differenzieren, eine Risikostratifizierung vorzunehmen und abschließend ggf. zu testen. Die Patienten können in drei Risikogruppen eingeteilt werden: Ein niedriges Risiko besteht für diejenigen, bei denen beispielsweise einzelne nicht-allergische Symptome auftraten oder die letzte Reaktion über zehn Jahre zurückliegt. Bei ihnen wäre ein Test mit Amoxicillin zu Hause oder unter Aufsicht zu erwägen. Ein intermediäres Risiko liegt bei einer Urtikaria bzw. einem juckenden Exanthem und bei IgE-vermittelten Reaktionen ohne Anaphylaxie vor. Für diese Patientengruppe wird ein Hauttest zur Prüfung der Verträglichkeit vorgeschlagen. Falls dieser negativ ausfällt, kann eine orale Amoxicillingabe unter Aufsicht erfolgen. Bei einem positiven Test, schweren Reaktionen oder einer vorausgegangenen Anaphylaxie innerhalb von sechs Stunden nach der Einnahme erfolgt eine Einstufung in die Gruppe „hohes Risiko“. Zur weiteren Abklärung empfiehlt sich eine Überweisung zum Allergologen.

Vor einer etwaigen Testung muss der Patient ausführlich aufgeklärt werden. Entsprechendes Monitoring und Fachkenntnis sind Voraussetzung, sodass gegebenenfalls auch ein anaphylaktischer Schock behandelt werden kann. Im Idealfall erfolgt der Test im Vorfeld einer akuten Therapieindikation bzw. präoperativ. Das Ergebnis sollte in einem Allergiepass dokumentiert werden.

Ist die Penicillingabe der Alternativtherapie klar überlegen, kann bei Patienten mit IgE-vermittelter Penicillinallergie eine Desensibilisierung infrage kommen. Diese Behandlung darf jedoch ausschließlich unter stationären Bedingungen erfolgen.

Quelle: Zieschang S. AVP 2021; online first