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Kubitaltunnelsyndrom Schienentherapie greift oft zu kurz

Autor: Maria Weiß

Bei diesem Patienten erfolgt eine submuskuläre Transposition des N. ulnaris, um den Nerv zu entlasten. Bei diesem Patienten erfolgt eine submuskuläre Transposition des N. ulnaris, um den Nerv zu entlasten. © Science Photo Library/ Riedlinger, Robert/Custom Medical Stock Photo
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Kribbeln und Taubheit in kleinem Finger und Ringfinger sind oft die ersten Anzeichen für ein Kubitaltunnelsyndrom. In diesem frühen Stadium kann man konservativ behandeln. Fällt dem Patienten bereits das Greifen schwer, sollte die Dekompression des Nervus ulnaris erwogen werden.

Ursache des Kubitaltunnelsyndroms (kurz KUTS) ist eine Kompression oder Irritation des N. ulnaris im Bereich des Ellbogens. Dort verläuft der Armnerv durch einen etwa 10 cm langen osteofibrösen Kanal (Kubitaltunnel), dessen Dach z.T. vom Retinakulum gebildet wird.

Häufig tritt das KUTS ohne erkennbare äußere Ursache auf. Bei dieser idiopathischen Form strafft sich das Dach des Kubitaltunnels und drückt auf den Nerv, schreibt Dr. Heinrich­ Binsfeld­, niedergelassener Schmerztherapeut aus Drensteinfurt. Männer sind deutlich häufiger betroffen als Frauen, meist zwischen dem 45. und 55. Lebensjahr. Als Risikofaktoren kennt man Diabetes, Übergewicht, rheumatische Erkrankungen, Verletzungen und eine besonders intensive Nutzung des Arms.

Das sekundäre oder symptomatische KUTS hat seine Ursache dagegen in einer direkten Verletzung mit Veränderungen von Knochen und Bändern. Typisch ist dann eine zeitversetzte Lähmung des N. ulnaris. Ein wichtiger Hinweis auf diese Form sind eingeschränkte Beugung oder Streckung im Ellbogengelenk.

Im Verlauf nimmt die Muskelkraft ab

Im Frühstadium äußert sich das KUTS durch Kribbelparästhesien und Gefühlsminderung. Hypästhesien treten am kleinen Finger und an der ulnaren Hälfte des Ringfingers sowie an der Ulnarseite des Handrückens und am Hypothenar auf. Im Verlauf nimmt auch die Muskelkraft der betroffenen Hand ab. Die Patienten berichten, die Finger nicht mehr so gut spreizen zu können, sowie über Schwierigkeiten, den Zeigefinger über den Mittelfinger kreuzen und den kleinen Finger nicht an den Ringfinger heranführen zu können. Typisch ist auch die Krallenstellung von Ringfinger und kleinem Finger. Die Lähmung des M. adductor pollicis kann dazu führen, dass einfache Handlungen wie das Greifen mit Daumen und Zeigefinger oder das Schließen einer Tür schwierig werden. Einen wichtigen diagnostischen Hinweis gibt das positive Fromentzeichen (siehe Kasten). Bei schwerem, chronischen KUTS können Atrophien der kleinen Handmuskeln sichtbar sein.

Positives Fromentzeichen

Die Patienten werden aufgefordert, ein Blatt Papier fest mit beiden Händen zwischen Daumen und Zeigefinger zu halten. Positiv ist das Zeichen, wenn der Daumen dabei nicht adduziert und das Daumenendgelenk stattdessen kompensatorisch gebeugt wird (durch den M. flexor pollicis longus).

Diagnostisch steht die fraktionierte Elektroneurographie an erster Stelle. Die Messung der Nervenleitungsgeschwindigkeit (NLG) zeigt charakteristische Verzögerungen der sensorischen und motorischen Nervenanteile, was der Sicherung der Diagnose und der Lokalisation der Schädigung dient. Ein weiteres wertvolles Tool ist die hochauflösende Neurosonographie, mit der sich Lage und Größe des N. ulnaris am Ellbogen gut abbilden lassen. Morphologische Veränderungen lassen sich am besten mittels MRT darstellen. Bei leichten Formen kann die konservative Therapie ausreichen. Dazu wird das Ellbogengelenk nachts mit einer Schiene ruhiggestellt. Wie lange man diese Schienung durchführen soll, ist allerdings unklar. Bevor es zu ggf. irreversiblen Mus­kelatrophien kommt, sollte man operieren. Indiziert ist der Eingriff in jedem Fall bei progredienten Beschwerden, sensomotorischen Ausfällen, ausbleibender Besserung und Verschlechterung der neurographischen Messewerte. Die einfache Dekompression mit Durchtrennung des Kubitaltunnel-Retinakulums ist die Methode der ersten Wahl. Bei ausgeprägten posttraumatischen oder degenerativen Deformierungen des Ellbogengelenks kann auch eine Verlagerung des N. ulnaris nach palmar ­erfolgen. Nach der Operation wird das ­Ellbogengelenk einige Tage durch einen Wickelverband geschont. Ab dem ersten postoperativen Tag sollte es aber schon vorsichtig bewegt werden. Schwere Arbeiten mit dem betroffenen Arm sind für zwei bis vier Wochen tabu. Um den Ulnarisnerv in Zukunft zu schonen, wird geraten, den Arm nicht zu stark im Ellbogen zu beugen – beispielsweise beim Abstützen auf dem Tisch oder beim Liegen auf dem Bauch vor dem ­Einschlafen.

Quelle: Binsfeld H. Schmerzmedizin 2021; 37: 40-43; DOI: 10.1007/s00940-021-3135-0