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Stammzellspende trotz Corona-Infektion möglich

Autor: Josef Gulden

In beiden Fällen konnte die Stammzelltransplantation erfolgreich durchgeführt werden, trotz bestätigter Corona-Infektion bei den Spendern. In beiden Fällen konnte die Stammzelltransplantation erfolgreich durchgeführt werden, trotz bestätigter Corona-Infektion bei den Spendern. © iStock/NanoStockk
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Ist eine Stammzellspende auch mit einem positiven SARS-CoV-2-Nachweis möglich? Zumindest deuten zwei Kasuistiken darauf hin: Die Spender wurden am Tag der Stammzellgewinnung positiv getestet, die Empfänger infizierten sich aber trotzdem nicht.

Bis zur Hälfte der mit SARS-CoV-2-infizierten Patienten ist asymptomatisch und einige weisen sogar trotz fehlender Beschwerden eine Virämie auf. Eine Übertragung des Virus durch Blutprodukte, zum Beispiel im Kontext einer hämatopoetischen Stammzelltransplantation, ist daher denkbar – bestätigt wurde dies allerdings bisher nicht.

Französische Hämatologen um Dr. M­­athieu L­­eclerc vom Hôpital Henri Mondor in Paris beschreiben zwei Fälle einer Transplantation von Zellen, die von SARS-CoV-2-positiven Spendern stammten, ohne dass sich die Empfänger infizierten. Letztere (60 Jahre und 64 Jahre alt) litten an einer akuten myeloischen Leuk­ämie (AML) und erhielten nach einer Induktions- und Konsolidierungstherapie Stammzellen vom eigenen Kind bzw. von einem Geschwisterteil. Beide Spender wurden acht Tage vor der Transplantation negativ auf SARS-CoV-2 getestet. Am Tag der Stammzellgewinnung wiesen sie jedoch einen positiven PCR-Test auf, Symptome hatten sie nicht. Einer von ihnen zeigte überdies eine akute Infektion.

Einziges Symptom war vorübergehendes Fieber

Nach einer Nutzen-Risiko-Abwägung entschieden die Kollegen in beiden Fällen, die Transplantation durchzuführen. Die Empfänger entwickelten danach vorübergehend Fieber, aber keine anderen Symptome einer Covid-19-Infektion. Insbesondere fiel keiner der Tests auf SARS-CoV-2, die einen Monat lang zweimal wöchentlich durchgeführt wurden, positiv aus.

Die Autoren diskutieren das Für und Wider eines solchen Vorgehens und weisen auf die Möglichkeit einer sogenannten Kryo-Quarantäne hin: Die Stammzellen können eingefroren werden und dann für mindestens 14 Tage so verbleiben. Die Transplantation erfolgt erst, wenn der Spender am Ende des Zeitraums negativ getestet wird bzw. symptomfrei bleibt.

Gegen dieses Vorgehen sprächen allerdings mehrere Argumente, so die Forscher. Eine Infektion kann auch nach der Zellgewinnung erfolgen, was ebenfalls dazu führen würde, dass die Stammzellen nicht freigegeben werden. Außerdem kann die Transplantation bei aggressiven Krankheiten wie AML sehr dringlich sein und nach zwei Wochen zu spät kommen. Im Fall von nicht-malignen Indikationen wie einer aplastischen Anämie haben sich zudem frische Zellen als wirksamer erwiesen als eingefrorene. Außerdem zeigen die beiden vorgestellten Fälle, ebenso wie der eines pädiatrischen Patienten, dass Zellen von SARS-CoV-2-positiven Spendern nicht zu einer hämatogenen Übertragung des Virus führen müssen.

Hinzu kommen den Wissenschaftlern zufolge ethische Aspekte. So kann die Kryo-Präservation manchmal dazu führen, dass die Spende verfällt – zum Beispiel, wenn die Erkrankung des Empfängers fortschreitet oder er während dieser Zeit Komorbiditäten entwickelt. Insbesondere gegenüber nicht-verwandten Spendern sei das schwer zu verantworten.

Egal wie man sich als Transplanteur in einem solchen Fall entscheidet, ist angesichts der nicht vorhersehbaren Entwicklung der Pandemie Wachsamkeit angezeigt, resümieren die Autoren. Die Situation kann sich kurzfristig ändern und das Wissen zum Risikomanagement bei der Übertragung von Blutprodukten wird größer. Es empfiehlt sich deshalb, die Lage genau zu verfolgen.

Quelle: Leclerc M et al. Lancet Haematol 2021; 8: e167-e169; DOI: 10.1016/S2352-3026(21)00025-9