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Tödlichen Verlauf bei Pneumonien durch adjuvante Steroidgabe verhindern?

Autor: Dr. Angelika Bischoff

Während Patienten mit schwerer CAP von der Steroidgabe profitieren, droht bei bei Patienten mit Influenza ein höheres Sterberisiko. Während Patienten mit schwerer CAP von der Steroidgabe profitieren, droht bei bei Patienten mit Influenza ein höheres Sterberisiko. © Kateryna_Kon – stock.adobe.com
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Patienten mit schwerem Verlauf einer pulmonalen Infektion adjuvant Kortikosteroide zu geben, kann durchaus sinnvoll sein. Dies wird aktuell bei den COVID-19-Patienten deutlich. Im Fall einer Influenzapneumonie sieht die Sache jedoch ganz anders aus.

Steroide dämpfen die systemische inflammatorische Antwort auf einen Erreger, die beim schweren Verlauf pulmonaler Infektionen eine wichtigere Rolle spielt als die Infektion selbst. Damit können sie möglicherweise den klinischen Verlauf verbessern und die Mortalität senken. 

Schwere CAP

Bei Patienten mit schwerer ambulant erworbener Pneumonie (CAP), die eine invasive Beatmung oder Intensivbetreuung benötigen, wurden Kortikosteroide adjuvant zur Antibiose untersucht. Denn trotz großer Fortschritte in der antibiotischen und supportiven Therapie ist die Mortalität der Erkrankung inakzeptabel hoch. Nach einer Metaanalyse von 17 randomisierten kontrollierten Studien senken Steroide die Mortalität von Erwachsenen mit schwerer CAP, zeigen aber bei weniger schweren Formen keinen signifikanten Effekt. Sie verkürzten auch die Zeit bis zur klinischen Heilung und die Dauer des Aufenthalts auf der Intensivstation bzw. im Krankenhaus. Wenn sie indiziert sind, sollten sie in den ersten 24 Stunden eingesetzt werden.

Influenzapneumonie

Nach positiven Ergebnissen aus tierexperimentellen Studien wurden Kortikosteroide gegeben, um die Progression einer durch Influenza bedingten schweren Pneumonie oder eines ARDS zu bremsen und das Outcome der Patienten zu verbessern. Eine weltweit durchgeführte Studie ergab, dass  etwa 60 % der Intensivpatienten mit Influenza die Entzündungshemmer erhielten. Die Mortalität verbesserte dies aber nicht. Die steroidbehandelten Patienten erkrankten häufiger an Pneumonien durch Hospitalkeime. Weitere Studien bestätigen diese Negativresultate

Trotzdem wollen sich offenbar nicht alle Intensivmediziner von der Steroidtherapie verabschieden. Eine 2018 publizierte spanische Beobachtungsstudie ergab, dass immer noch ein Drittel der Intensivpatienten mit schwerer Influenzapneumonie diese Medikamente bekamen – zu ihrem Nachteil, wie die Studie ebenfalls zeigte. Sie starben häufiger auf der Intensivstation. Folgestudien untermauerten die negative Evidenz: Kortikosteroide hatten keinen Einfluss auf die Zahl der Beatmungstage. Patienten mussten länger intensivmedizinisch behandelt werden und erkrankten häufiger an sekundären Infektionen als solche, die keine Steroide bekamen. 

COVID-19

Die Invasion des SARS-CoV-2-Virus in Epithel- und Alveolarzellen führt zu einer Immunresponse mit massiver Einwanderung von Entzündungszellen. Die exzessive Immunantwort kann die Lunge zusätzlich schädigen.  

Ob systemische Steroide mechanisch beatmeten Patienten mit COVID-19-Infektion helfen, war zunächst unklar. Man hatte Bedenken, weil die Erfahrung mit dem MERS- und SARS-Virus gezeigt hatte, dass virale RNA unter Kortikosteroiden langsamer aus dem Respirationstrakt bzw. dem Blut verschwindet. Kleinere Studien, in denen kritisch kranke COVID-19-Patienten dennoch Kortikosteroide erhielten, ergaben kein klares Bild. 

Erst die RECOVERY-Studie mit mehr als 6000 Patienten demonstrierte, dass Coronapatienten, die mechanisch beatmet werden mussten oder Sauerstoff erhielten, unter Dexamethason eine geringere 28-Tage-Mortalität aufwiesen. Auch in der CoDEX-Studie führte der Einsatz des Steroids zu einem statistisch signifikanten Anstieg der Zahl beatmungsfreier Tage. Metaanalysen bestätigten den signifikanten Vorteil in puncto 28-Tage-Mortalität.

Quelle: Martin-Loeches L, Torres A. Eur Respir Rev 2021; 30: 200346; DOI: 10.1183/16000617.0346-2020