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Tuberkulose-Rezidiv ist auch nach 90 Jahren noch möglich

Autor: Dr. Judith Lorenz

Die Tuberkulose-Bakterien waren neunzig Jahre im Dornröschenschlaf. (Agenturfoto) Die Tuberkulose-Bakterien waren neunzig Jahre im Dornröschenschlaf. (Agenturfoto) © Dr. N. Lange – stock.adobe.com
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Zwischen einer primären Tuberkulose und dem Rezidiv können in seltenen Fällen Jahrzehnte liegen. Bei unklaren Entzündungen im höheren Alter sollte daher immer auch an eine postprimäre Tbc-Manifestation gedacht werden.

Die primäre und auch die postprimäre Tuberkulose betreffen am häufigsten die Lunge, prinzipiell kann aber jedes Organ befallen werden. Die Rezidivwahrscheinlichkeit nach einer durchgemachten Tuberkulose beträgt etwa 10 %, wobei in zwei Dritteln der Fälle die Reaktivierung innerhalb der ersten zehn Jahre nach der Primärinfektion stattfindet. Bei älteren Menschen ist infolge der abnehmenden Immunfunktion auch nach jahrzehntelanger Latenz eine Reaktivierung möglich.

Dr. Jonas Früh von der Abteilung für Tropenmedizin am Klinikum Würzburg Mitte und Kollegen berichten von einer 95-jährigen Patientin, die sich mit einer lokal begrenzten, geröteten und fluktuierenden Schwellung an der rechten Fußaußenseite in der Klinik vorstellte. Anamnestisch bekannt waren bei ihr eine Klumpfußdeformität seit Kindertagen und eine Lungentuberkulose im Alter von sechs Jahren. Jährliche Röntgenkontrollen der Lunge hatten seither kein Rezidiv ergeben. Vorerkrankungen bestanden nicht und eine B-Symptomatik verneinte die Patientin.

Die Entzündungsmarker im Blut lagen im Normbereich und in der Röntgen-Thorax-Aufnahme zeigten sich nur alte Veränderungen. Auffällig war die Bildgebung des rechten Fußes und des oberen Sprunggelenks: Es imponierten u.a. ausgeprägte Deformierungen und Verkalkungen sowie eine vollständige knöcherne Durchbauung im oberen und unteren Sprunggelenk.

Tuberkulöse Osteomyelitis schon im Kindesalter?

Die Patientin wurde operiert, wobei sich die Schwellung als eitergefüllter Abszess herausstellte. In der Histologie zeigten sich riesenzellhaltige, nekrotisierende Epitheloidzellgranulome mit Verkalkungen. In der Flüssigkultur ließ sich nach sechs Wochen M. tuberculosis anzüchten. Als Ursprung der Tbc-Reaktivierung vermuten die Kollegen einen ossären oder einen im Narbengewebe zwischen den destruierten Knochen gelegenen Herd nach tuberkulöser Osteomyelitis im Kindesalter.

Natürlich musste die 95-Jährige tuberkulostatisch behandelt werden. Da ältere Menschen häufiger nephrotoxische und hepatotoxische Nebenwirkungen der antituberkulösen Therapie erleiden, dosierte man bei ihr die Medikamente unter engmaschigen Laborkontrollen langsam ein. Bei vermutetem Knochenbefall beträgt die Therapiedauer neun Monate, schreiben die Autoren.

Quelle: Früh J, Stich A, Müller A. „Ungewöhnliche Spätmanifestation einer reaktivierten Tuberkulose in der Immunseneszenz nach 9 Dekaden Latenz“, Dtsch Med Wochenschr 2021; 146: 399-402; DOI: 10.1055/a-1377-4860 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart, New York