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Verkehrslärm und Luftschadstoffe fördern psychische Erkrankungen

Autor: Dr. Elke Ruchalla

Ständiger Krach, Feinstaub, Kohlenstoffdioxid und Ozon sind laut den Forschern Auslöser psychischer und mentaler Störungen. Ständiger Krach, Feinstaub, Kohlenstoffdioxid und Ozon sind laut den Forschern Auslöser psychischer und mentaler Störungen. © iStock/fotoVoyager
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Die Wohnumgebung hat einen bedeutenden Einfluss auf die körperliche und psychische Gesundheit der Menschen. Anhaltender Lärm und dreckige Luft können das Risiko für Depressionen, Angststörungen und Psychosen nachweislich erhöhen.

Verkehrsgetöse und schmutzige Umgebungsluft sind bedeutsame Umweltrisikofaktoren – da sind sich die Wissenschaftler einig. Bisher seien es in erster Linie Krankheiten des Herz-Kreislauf-Systems wie Myokardinfarkt und Schlaganfall gewesen, die man in diesem Zusammenhang untersucht hätte, schreiben Dr. Omar Hahad vom Zentrum für Kardiologie an der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und Kollegen. Man müsse den Blick aber deutlich weiter fassen und dürfe nicht nur die kardiovaskulären und zerebrovaskulären Erkrankungen mit einem dauerhaft lauten Umfeld und Luftschadstoffen in Verbindung bringen. Denn ständiger Krach sowie Feinstaub, Kohlenstoffdioxid und Ozon seien auch Auslöser psychischer und mentaler Störungen.

Die Autoren haben die einschlägigen medizinischen Datenbanken durchsucht und den aktuellen Wissensstand hinsichtlich der psychischen Folgen von Lärm und Luftverschmutzung zusammengefasst.

So geht die Umwelt auf die Nerven

Die Belastung durch Lärm und Luftverschmutzung aktiviert den Sympathikus und fördert über die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden- Achse die Freisetzung von Stresshormonen. In der Folge entstehen reaktive Sauerstoffverbindungen („oxidativer Stress“), die neuroinflammatorische Prozesse anstoßen und bestimmte psychische Erkrankungen triggern. Dabei kann ein Teufelskreis entstehen: Depressionen verursachen stressinduzierte chronische Entzündungen. Diese rufen kardiovaskuläre Erkrankungen hervor, was wiederum Depressionen befeuert.

Vor allem Angststörungen und Depressionen bis hin zu Suizidgedanken nehmen mit dem Umgebungslärm merklich zu. Es besteht eine Dosis-Wirkungs-Beziehung: Je lauter es ist, desto höher liegt das Erkrankungsrisiko. Dabei spielt aber auch die subjektive Bewertung des Lärmpegels eine Rolle, nicht nur der objektiv gemessene Schalldruck, wie aus den Daten der Gutenberg-Gesundheitsstudie hervorgeht: Bei einem als extrem laut bewerteten Umfeld war die Zahl der Erkrankten etwa doppelt so hoch wie ohne den Krach. Dieselben Autoren zeigten in einer Folgeuntersuchung, dass Lärmbelastungen neuauftretende depressive Verstimmungen, Ängste und Schlafstörungen in den fünf darauffolgenden Jahren vorhersagen konnten. Mit steigendem Umgebungslärm durch Flug-, Straßen- und Schienenverkehr nimmt die Einnahme von Anxiolytika und Antidepressiva zu. Möglicherweise begünstigt der Verkehrslärm auch Verhaltensstörungen bei Kindern, die etwa mit ADHS und Problemen mit Sozialkontakten reagieren.

Das Risiko korreliert mit der Feinstaubkonzentration

In die Luft geblasener Feinstaub steigert womöglich ebenfalls das Risiko für Depressionen, Angststörungen, Psychosen und Suizide. Auch hierbei scheint eine positive Korrelation zu bestehen: je höher die Feinstaubkonzentration der Umgebung, desto größer das Erkrankungsrisiko. Insgesamt sei die Aussagekraft ihrer Übersichtsarbeit mit Vorsicht zu genießen, schreiben die Wissenschaftler abschließend. Denn die Metaanalysen, Reviews und Primärstudien, die sie für ihre Auswertung herangezogen hätten, seien in der Methodik sehr verschieden, die Resultate daher schwer miteinander zu vergleichen. Bei den meisten Publikationen zu diesem Thema handele es sich zudem um Querschnittsstudien mit heterogenen Ergebnissen bei teils geringer Studienqualität. Deshalb ihre dringende Forderung: Längsschnittuntersuchungen seien mehr als überfällig, um die Gefahren von Umgebungslärm und -dreck für die Psyche beurteilen zu können.

Quelle: Hahad O et al. Dtsch Med Wochenschr 2020; 145: 1701-1707; DOI: 10.1055/a-1201-2155