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Darmverschluss Von wegen Gastroenteritis

Autor: Dr. Angelika Bischoff

Den meisten Fällen von Darmverschluss in der Primär- oder Notfallversorgung liegt eine mechanisch bedingte Obstruktion zugrunde. Den meisten Fällen von Darmverschluss in der Primär- oder Notfallversorgung liegt eine mechanisch bedingte Obstruktion zugrunde. © iStock/vittaya25
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Klagt ein Patient über kolikartige Bauchschmerzen und rezidivierendes Erbrechen über mehr als 24 Stunden, sollte man etwas genauer hinsehen. Vor allem der subakute Dünndarmverschluss und die chronische Dickdarmobstruktion werden häufig verkannt.

Den meisten Fällen von Darmverschluss in der Primär- oder Notfallversorgung liegt eine mechanisch durch Blockade oder Verdrehen bedingte Obstruktion zugrunde, selten ein paralytischer Ileus. Intraluminale Blockaden durch Stuhlimpaktion machen weniger als 10 % der Ursachen von akuten Darmverschlüssen aus. Den größten Anteil stellen extraluminale wie Adhäsionen (60 %) und obstruierte Hernien (12 %).

In jedem fünften Fall ist Darmkrebs die Ursache

Strikturen der Darmwand durch ein kolorektales Karzinom sind in etwa 15 % der Fälle Ursache eines Darmverschlusses. Nach Daten aus Großbritannien wird ein Fünftel der Patienten mit Darmkrebs erstmals mit einem Darmverschluss symptomatisch. Selten kommen benigne durch Divertikel bedingte Strikturen vor.

Die klinische Symptomatik ist variabel. Sie hängt davon ab, ob der Verschluss in einem höheren oder einem tieferen Darmabschnitt liegt, und ob sie akut, subakut, chronisch oder akut auf dem Boden einer chronischen Obstruktion („acute on chronic“) aufgetreten ist, erklären Professor Dr. Marc­ Winslet­ vom University College London und Kollegen. Bei einer hohen Obstruktion kommt es frühzeitig zu Erbrechen und Koliken. Ein Blähbauch muss nicht vorhanden sein. Die Schmerzen beruhen auf der erhöhten Peristaltik und Dilatation des proximalen Darmabschnitts.

Zu Beginn treten mitunter Durchfälle auf

Lässt die Peristaltik nach, sammeln sich in dem atonischen Darm Gas aus überwuchernden Bakterien und Flüssigkeit an, die normalerweise rückresorbiert würden. So dehnt sich der proximale Darmabschnitt weiter aus.

Patienten mit einer tieferen Ob­struktion müssen häufig gar nicht erbrechen. Wenn eine Emesis auftritt, dann geschieht dies erst später im Verlauf. Die meisten Patienten mit tieferem Verschluss haben zwar auch kolikartige Bauchschmerzen. Diese sind aber meist nicht so stark ausgeprägt wie bei hohen Verschlüssen. Initial kann bei allen Patienten eine Diarrhö auftreten.

Ein akuter Darmverschluss präsentiert sich klinisch meist ziemlich eindeutig. Den Patienten geht es in der Regel schlagartig sehr schlecht. Weniger klar sind die Symptome eines subakuten Dünndarmverschlusses oder einer chronischen Dickdarmobstruktion. Diese Patienten leiden manchmal über Tage bis Wochen unter wiederholten kolikartigen Bauchschmerzen, Blähungen und Erbrechen, oft nur moderat ausgeprägt.

Ein Fallbeispiel mit Fehldiagnose

Seit sieben Tagen leide sie intermittierend unter Bauchschmerzen und müsse erbrechen, berichtete eine 48-jährige Patientin ihrem Hausarzt. Durchfall habe sie nicht, und ihr letzter Stuhlgang liege sechs Tage zurück. Der Arzt stellte verminderte Darmgeräusche und eine leichte abdominale Abwehrspannung fest. Das Rektum der Patientin war leer. Er nahm eine Verstopfung als Ursache an und verordnete ein Laxans. Drei Tage später wurde die Patientin notfallmäßig wegen häufigem Erbrechen und Dehydratation ins Krankenhaus eingeliefert. Dort stellte man eine Obstruktion durch ein Zäkumkarzinom fest.

Vor allem bei solchen Patienten besteht ein hohes Risiko, dass die Symptome initial fehldiagnostiziert werden als Gastroenteritis oder Obstipation­. Wenn initial noch eine wässrige Diarrhö besteht, verstärkt sich der falsche Eindruck. Erbrechen und Koliken halten bei einer Gastroenteritis aber kaum länger als 24 Stunden an. Für die Prognose des Patienten ist es wichtig, dass die richtige Diagnose nicht verpasst wird. Schon kleine Verzögerungen der Diagnose können zu metabolischen Komplikationen, Strangulation, Darmnekrose, Perforation, Sepsis und unnötigen Flüssigkeits- und Elektrolytverlusten führen.

In der CT wird die Ursache meist sichtbar

Koliken und Erbrechen über mehr als 24 Stunden sind immer ein Grund, nach einem Darmverschluss zu suchen. Das klinische Zeichen eines aufgeblähten Bauchs kann bei einem hohen Verschluss fehlen und ist auch bei adipösen Patienten oft schwierig festzustellen. Besonders wichtig: Weder normale Darmgeräusche noch Stuhl im Rektum schließen die Diagnose Darmverschluss aus. Denn die Stille im Darm ist ein relativ spätes Zeichen. Auch Peritonismuszeichen wird man nicht finden, solange keine Darmperforation oder ein Darm­infarkt eingetreten ist. Bildgebendes Verfahren der Wahl ist die abdominale CT. Sie lässt nicht nur frühzeitig die Obstruktion selbst erkennen, sondern in den meisten Fällen auch die Ursache dafür.

Quelle: Winslet M et al. BMJ 2021; 374: n1765; DOI: 10.1136/bmj.n1765

Prall mit Fäzes gefüllter Dickdarm im Rahmen einer Obstruktion. Prall mit Fäzes gefüllter Dickdarm im Rahmen einer Obstruktion. © Science Photo Library