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AHA-Formel: Corona-Maßnahmen wirken auch gegen Masern, Hepatitis und MRSA

Gesundheitspolitik Autor: Anouschka Wasner

Von Atemwegserkrankungen über Durchfallerkrankungen bis hin zu Kinderkrankheiten: Die AHA-Formel schützt. Von Atemwegserkrankungen über Durchfallerkrankungen bis hin zu Kinderkrankheiten: Die AHA-Formel schützt. © kebox – stock.adobe.com
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Seit Anfang März herrschen in Deutschland verschiedene Corona-Schutzmaßnahmen. Welche Auswirkungen haben diese auf das Infektionsgeschehen außerhalb von Corona, also etwa Grippe, Masern oder Mumps?

Seit Kalenderwoche (KW) 11 gelten in Deutschland Corona-Schutzmaßnahmen. Es begann am 9. März damit, dass verschiedene Bundesländer Veranstaltungen mit über 1000 Teilnehmern untersagten. Am 16. März wurden dann Bund-Länder-Vereinbarung geschlossen, es kam u.a. zu Schulschließungen. Am 23. März trat bundesweit ein umfangreiches Kontaktverbot in Kraft. Seitdem herrschen Bedingungen, wie man sie zu Studienzwecken niemals hätte schaffen können.

Schutzmaßnahmen wirken sich auf Grippewelle aus

Wissenschaftler interessiert dabei: Welche Auswirkungen haben Corona-Schutzmaßnahmen auf das Infektionsgeschehen außerhalb von Corona? Bereits Mitte April veröffentlichte das Robert Koch-Institut auf Basis internationaler Untersuchungen ein Rapid Review dazu (s. Epidemiologisches Bulletin 16/2020). Beim Vergleich der Grippewellen der letzten drei Saisons, so das RKI, sei 2020 das schnelle Abklingen der Influenzaaktivität und eine um mindestens zwei Wochen kürzere Dauer der Grippewelle auffällig. Das Institut schlussfolgert: Zu dieser Verkürzung dürften die bundesweiten Maßnahmen zur Eindämmung und Verlangsamung der Pandemie erheblich beigetragen haben.

Gleichermaßen zur Überprüfung des Effekts der Maßnahmen machte sich das RKI zunutze, dass SARS-CoV-2 auf demselben Weg wie andere Erreger, z.B. die von akuten Atemwegserkrankungen (ARE), übertragen wird. Denn bereits in der 10. KW war zu beobachten, dass die ARE-Raten stark gesunken waren, sowohl bei Kindern als auch bei Jugendlichen und Erwachsenen. Das Institut schrieb, dass verschiedene Indikatoren „einen klaren Hinweis darauf geben, dass die Distanzierungsmaßnahmen für die Verlangsamung der Ausbreitung von Atemwegserkrankungen wirksam sind“.

Niedrige Infektionszahlen halten weiter an

Etliche Wochen später – unter vergleichbaren Umständen – stellt sich die Frage, ob sich die Beobachtungen bestätigt haben. Ein Blick auf die Zahlen spricht dafür. Zwischen KW 15 und KW 42 wurden z.B. 3078 Fälle von Norovirus-Gastroenteritis gemeldet. Ein Jahr zuvor waren es im gleichen Zeitraum 23 166 Fälle. Bei anderen gastrointestinalen Infektio­nen (z.B. Campylobacter-Enteritis, Salmonellose, Rotavirus-Gastroenteritis) verhält es sich grundsätzlich ähnlich, genauso wie auch bei Virushepatitiden und respiratorisch übertragenen Krankheiten.

Die Influenza wurde 2019 im genannten Zeitraum 189512-mal gemeldet, 2020 lediglich 2309-mal. „Auf der Südhalbkugel ist die diesjährige Grippewelle praktisch ausgefallen“, so eine Sprecherin des RKI. Hepatitis B wurde 2019 exakt 5696-mal angezeigt, 2020 nur 2201-mal. Auch die registrierten Fälle von MRSA sanken im entsprechenden Zeitraum von 921 auf 566.

Genauso sind die Zahlen zu klassischen Kinderkrankheiten wie Mumps oder Windpocken deutlich gesunken. Keuchhustenfälle wurden 2019 für die Wochen 15 bis 42 noch 5255 registriert, im vergleichbaren Zeitraum 2020 nur 773. Und Masern? Seit KW 15 gab es in Deutschland keinen einzigen registrierten Masernfall mehr.

Diese Entwicklung werde gerade analysiert, sagt das RKI auf Nachfrage, für genaue Aussagen sei es noch zu früh. Wahrscheinlich würden durch die AHA-Regeln nicht nur respiratorisch übertragbare Erkrankungen verringert, sondern auch Durchfallerkrankungen und andere, etwa dank der verbesserten Händehygiene. Details dazu sollen demnächst veröffentlicht werden. Untersucht werden soll u.a., welche Maßnahme welche Infektionsrate beeinflussen kann – Maskenpflicht, Händehygiene, Distanzregeln oder Schulschließungen müssten dazu methodisch differenziert werden. Betrachtet werden müsse ferner, ob die Zahlenverläufe ausschließlich auf die Infektionsschutzmaßnahmen zurückzuführen sind oder ob ein Teil des Rückgangs auch auf verminderte Arztbesuche zurückzuführen ist.

Was vor Erkältung schützt, schützt auch vor Corona

Was man allerdings schon sagen könne, so eine Sprecherin des RKI: Die AHA+L-Regeln schützen nicht nur vor Corona, sondern ebenso vor anderen Infektionskrankheiten, insbesondere Atemwegsinfektionen. Und vielleicht lässt sich ja mit Blick auf die Masken- und Distanzzweifler auch der Umkehrschluss ziehen. Wenn die Maßnahmen vor anderen Infektionskrankheiten schützen, dann tun sie das auch bei Corona.

Medical-Tribune-Recherche

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