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Onkologische Rehabilitation ist effizient – viele Patienten bleiben leider außen vor

Gesundheitspolitik Autor: Cornelia Kolbeck

Nicht einmal jede dritte Patientin mit Mammakarzinom profitiert von einer onkologischen Rehabilitation. Bei anderen Tumorerkrankungen sind die Teilnahme-raten noch viel geringer. Nicht einmal jede dritte Patientin mit Mammakarzinom profitiert von einer onkologischen Rehabilitation. Bei anderen Tumorerkrankungen sind die Teilnahme-raten noch viel geringer. © fotolia/RFBSIP/Picture-Factory
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Die onkologische Reha stellt eine große Hilfe für Krebspatienten dar, doch sie wird viel zu selten genutzt. Das liegt auch an den behandelnden Ärzten, klagen Experten.

Die Rehabilitation werde von Ärzten leider oft noch als „Morgens Fango, abends Tango“ wahrgenommen, sagte PD Dr. Ulf Seifart, Chefarzt an der Klinik Sonnenblick in Marburg und beratender Arzt der Deutschen Rentenversicherung Hessen. Die onkologische Rehabilitation sei jedoch hoch effektiv und die Wirksamkeit bleibe auch mittel- und langfristig erhalten.

Eine Studie mit 200 Patienten nach radikaler Prostatektomie hätte z.B. hoch signifikante Verbesserungen aller Parameter (1-h- und 24-h-Pad-Test, 6-min-Gehtest, Uroflowmetrie, Lebensqualität und Fatigue) belegt. Und Frauen mit Brustkrebs trieben sechs Monate nach Entlassung aus der Reha-Einrichtung etwa 60 Minuten mehr Sport pro Woche als zu Beginn der Maßnahme, was sich mittelfristig positiv auf die Gesundheit auswirke.

Das Angebot muss dringend modernisiert werden

Es gebe inzwischen viele Studien zur Wirksamkeit und die Rehabilitation sei inzwischen auch in zahlreichen Leitlinien berücksichtigt, sagte der Praktiker. Er bezeichnete jedoch als Problem – auch hinsichtlich der Überzeugung behandelnder Ärzte –, dass randomisierte Studien mit prospektivem Vergleich zwischen Reha versus Nicht-Reha bislang fehlen. Zudem müsse über die Rehabilitation in Zeiten individualisierter Medizin auch noch einmal grundlegend nachgedacht werden. Als Fragestellungen regte er an: Sind drei Wochen Reha immer ausreichend? Sollte eine Reha zu splitten sein? Muss sie direkt nach der Heilbehandlung erfolgen oder könnte sie nicht auch schon während der Behandlung beginnen? Sollten Angehörige und Kinder mitgenommen werden können? Dr. Seifart ist sich jedenfalls sicher: Das Angebot muss modernisiert werden.

Langzeitüberleben nach Krebs im Fokus einer Arbeitsgruppe

Interesse an den Vorschlägen Dr. Seifarts zeigte Dr. Barbara Stomper, Vertreterin des Bundesministeriums für Gesundheit. Sie berichtete darüber, dass das Ministerium eine Arbeitsgruppe einrichten will, die das Langzeitüberleben nach Krebs thematisiert. Derzeit werden hierfür geeignete Mitstreiter gesucht. Die Arbeitsgruppe soll u.a. Forschungsaufträge vergeben und gesetzliche Änderungen prüfen.

Skepsis bezüglich der angesprochenen randomisierten Studie zur Effektivität von Rehaleistungen kam von PD Dr. Reiner Caspari, Chefarzt an der Sonnenberg-Klinik Bad Sooden-Allendorf. Man sei heute schon sehr gefordert, die Prozessqualität der Reha darzustellen. Würden am Ende auch noch patientenrelevante Endpunkte wie der Überlebensvorteil betrachtet, werde das schwieriger. Zudem hält es der Onkologe für ein „ethisches Dilemma“, der Hälfte der Studienpatienten eine onkologische Rehabilitation zu verweigern. „Wir müssen hier Selbstbewusstsein zeigen und sagen, dass eben nicht alles aus der Akutmedizin auf die Rehabilitation zu übertragen ist.“ Dr. Caspari ist aber ebenfalls überzeugt, dass sich die onkologische Rehabilitation neuen Herausforderungen stellen muss – vor allem angesichts von ca. 2,9 Millionen Langzeitüberlebenden nach Krebs in Deutschland. Hierbei sprach er z.B. an, dass die medizinische Reha bislang nur im Anschluss an eine Krankenbehandlung, nicht aber nach fünfjährigem Überleben gewährt wird.

Dr. Wilfried Hoffmann, Facharzt für Urologie, Rehabilitationswesen und medikamentöse Tumortherapie, Klinik Park-Therme in Badenweiler, nannte einige Zahlen. Demnach nahmen 2014 in 119 zur Verfügung stehenden Kliniken 150 237 Patienten mit Diagnosen C00-D48 eine onkologische Rehabilitation wahr. 2016 waren es mit 133 658 Patienten erheblich weniger.

Für 80 % der Krebspatienten fehlen berufliche Reha-Ziele

Dr. Hoffmanns Vergleich mit der Anzahl der onkologischen Akutbehandlungsfälle macht jedoch das eigentliche Dilemma deutlich, denn im Balkendiagramm waren die Reha-Werte gegenüber den Akut-Werten z.T. minimal. Werden beim Mammakarzinom noch rund 27 % der Patienten zur onkologischen Reha geleitet und beim Krebs der Harn- und Geschlechtsorgane immerhin noch 19 %, sind es in anderen Gebieten nur 6 bis 9 %.

„Für 80 % der onkologischen Patienten gibt es keine Ziele zur medizinisch-beruflich orientierten Rehabilitation“, so Dr. Hoffmann. Diese unvermindert anhaltende geringe Inanspruchnahme sei die Herausforderung der Zukunft. Er verwies auf eine Studie im Rahmen des Nationalen Krebsplans, die den Ursachen für all die Defizite auf den Grund gehen soll.

Der Leitende Arzt Dr. Mario Schubert, ebenfalls Klinik Park-Therme, brach eine Lanze für die Reha-Medizin an sich. Hier könnten Ärzte „arbeiten, wo andere Urlaub machen“. Die onkologische Rehabilitation sei ein „attraktives Arbeitsfeld“, sagte er und verwies auf eine Umfrage aus 2017. Bei dieser hatten 77 % der befragten Ärzte mehr Zeit für Patienten, ruhigeres Arbeiten und die flexible Arbeitszeitgestaltung positiv bewertet. 

Quelle: https://www.krebsinformationsdienst.de/leben/alltag/rehabilitation-nach-krebs.php

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