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Abendsprechstunde, der perfekte Job für mich

Autor: Dr. Frauke Höllering

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Sprechstunde um 20 Uhr: Kolumnistin Dr. Frauke Höllering schwärmt für superlange Öffnungszeiten. Dafür braucht Sie Unterstützung von Praxispersonal der besonderen Art...

Leise sank die Sonne am Horizont. Gut gelaunt plauderte sich der Radiomoderator Richtung Feierabend, während mein Auto zur Praxis schnurrte. Es war bald 18 Uhr, die ersten Grills wurden angeworfen und wenn man genau lauschte, hörte man die Bierflaschen ploppen. Was machte ich da bloß?


Wir hatten seit Neuestem eine Abendsprechstunde, und ich war auf dem Weg dorthin. Eigentlich perfekt: Bin ich doch ein Abendmensch, der morgens im Dunkel des Sonographieraumes verzweifelt gegen den Schlaf ankämpft, aber abends zu großer Form aufläuft. Warum also nicht Donnerstags Sprechstunde bis 20 Uhr machen?

"Morgens schlafe ich beim Ultraschall fast ein"


Wir hatten im Vorfeld darüber diskutiert: „Tolle Sache!“, so das Lob von manchen Patientinnen, die im Einzelhandel tätig sind. „Dann brauche ich nicht so oft frei nehmen, wenn ich zum Arzt muss!“ Ältere Menschen freuten sich, dass sie nun nicht mehr nur auf Bus oder Taxe angewiesen waren, sondern die Chance hatten, abends von den Kindern gebracht zu werden. „Eigentlich sollte diese Sprechstunde für Berufstätige sein“, hatte ich leise protestiert, ohne so ganz überzeugt zu sein. Schließlich brachten die alten Herrschaften ja gute Gründe vor.


Der Apotheker in unserem Haus reagierte sofort und glich seine Öffnungszeiten den unsrigen an. Gleichzeitig verabschiedeten wir uns vom Freitagnachmittag, an dem wir ja nun regelmäßig durchs Sauerland zu gondeln oder in der Notdienstzentrale zu knechten hatten, und verlängerten dafür die Vormittagssprechstunden ein bisschen.

„Können wir donnerstags nicht schon um 16 Uhr kommen?“, fragte der eine oder andere in der Planungsphase. „Sonst ist so lange Mittagspause!“ – „Pause“ ist gut, schließlich gibt es in dieser Zeit genug anderes zu tun. Morgens um acht Uhr anfangen, mittags Verwaltung, Besuche und Einkaufen, um dann abends um 21 Uhr nach Hause zu wanken? „Ist leider ein bisschen viel“, hatten wir gekniffen und auf unsere telefonische Erreichbarkeit in dieser Zeit verwiesen.

 
Nun also mit einem strahlenden „Moin!“ rein in die Praxis. „Moin ist gut“, brummelte eine Mitarbeiterin, „die Sonne geht schon fast unter. Für mich ist das nix!“ Natürlich wissen meine Sauerländer Ladies diese Reminiszenz an meine norddeutsche Heimat gemeinhin einzuordnen, aber hier steckte wohl ein leiser Tadel.

 "Jetzt brauchen wir nur noch Uhus als Helferinnen ..."

„Na?“, versuchte ich abzulenken, „haben schon Patienten ab 15.30 Uhr an die Tür gehämmert?“ Davon wurde nichts überliefert, da auch mein Team seine verlängerte Mittagspause  fernab der Praxis verbracht hatte. Die Sprechstunde war wohlgefüllt, Kritik hörte ich nicht. Dabei hatte ich die eine oder andere Patientenbeschwerde erwartet, dass wir erst zu „nachtschlafender Zeit“ für sie da seien. Aber nichts Dergleichen, im Gegenteil: Entspannte Arbeitnehmer trafen auf eine entspannte Ärztin.


Was sollten wir nur mit unseren Team-Lerchen tun, die morgens in aller Herrgottsfrühe fröhlich zwitschernd ihrer Arbeit nachgingen,sich aber abends nach dem gemütlichen Sofa sehnten? Sollten wir eine Anzeige aufgeben „Uhus für Spätschicht gesucht“?

Das kam überhaupt nicht infrage, schließlich hatte unser Team in Jahrzehnten der Praxiszugehörigkeit schon ganz andere Chef- Marotten abgewettert und würde auch mit dieser Anforderung fertig werden. Würden die Damen ihre innere Uhr umstellen können? Ich hatte zwar meine Zweifel, schließlich konnte ich mich an keinen Morgen erinnern, an dem ich ansatzweise wach gewesen wäre. Aber sowohl ein zeitiger Arbeitsbeginn, als auch eine späte Sprechstunde waren im Sinne der Patienten und damit beschlossene Sache.


Avantgardistisch allerdings waren wir mit dieser neuen Zeitplanung nicht: „Stellen Sie sich vor, ich hatte meinen Neurologentermin um 4.30 Uhr!“, berichtete ein Patient. „Sie meinen, um halb fünf nachmittags?“ Da war ich schief gewickelt: „Nein, morgens vor der Frühschicht!“ Derselbe Kollege hatte auch schon Patienten abends um 22 Uhr empfangen und mich damit tief beeindruckt.

Ob zu diesen Zeiten auch Mitarbeiterinnen in der Praxis waren, hatte ich leider zu fragen vergessen. Aber unsere kleine Dienstplanänderung scheint mir im Vergleich dazu vernachlässigbar. Gibt es eigentlich Vögel, die rund um die Uhr wach sind?

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