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Ärzte in Mammutzentren – wem nützt das wirklich?

Autor: Dr. Günter Gerhardt

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Krankenhausschließungen, Ärztezentren, Kostenminimierung - alles zum Wohle für ein zukunftfähiges Gesundheitswesen? Mitnichten, meint MT-Kolumnist Dr. Günter Gerhardt.

Wenn man zwei Tage lang zusammen mit 800 Kolleginnen und Kollegen einen Kongress besucht, dann hat man zwischen den interessanten Vorträgen und vor allem im Verlauf eines gemeinsamen Abendessens viel Zeit für Gespräche. Da wird dann jede Menge Frust abgeladen, der sich im Praxisalltag angesammelt hat und jetzt mal rausgelassen werden darf, was nach einem Glas Wein besonders gut klappt.


Oft sind es beim Schlendern durch die Grüppchen nur kurze Sätze, die man aufschnappt und die auch Anlass geben, zu verweilen. Doch durch die Häufung wiederkehrender Worte und Themen entsteht schon ein repräsentativer Eindruck davon, was den Doktores so auf der Seele brennt. Die KV bzw. das Schimpfen darüber scheint nicht mehr der Spitzenreiter zu sein. Die Krankenkassen mit ihren ständigen Anfragen „bringen mich mehrmals in der Woche zur Weißglut“.


Wenn bei einem solchen Kongress über das Arztsein zwischen Berufung und Alltag diskutiert wird sowie über das Problem des Ärztemangels, dann sind schnell die Hauptschuldigen, nämlich die Krankenkassen, gefunden, die jetzt auch noch die ambulante fachärztliche Versorgung  einschränken und kleinere Krankenhäuser schließen wollen.

»Niedergelassene Ärzte brauchen die Klinik um die Ecke«

Auch wenn das auf den ersten Blick nichts mit hausärztlicher Tätigkeit zu tun hat, so kam doch aus dem Mund von angehenden jungen Hausärztinnen spontan die Bemerkung: „In einer Region ohne Fachkollegen und Krankenhaus in der Nähe lasse ich mich nicht nieder.“


Dass es unrentable Krankenhäuser gab, ist bekannt. Hier wurde in den letzten Jahren einiges getan. So haben sich Krankenhäuser zusammengeschlossen, es wurden Tätigkeiten zentriert und Häuser mit anderen Disziplinen wie Geriatrie und Palliativmedizin betraut. Dieser Umstrukturierungsprozess macht Sinn und dauert an. Er darf aber nicht dazu führen, dass Kranke nur noch in kilometerweit entfernten stationären Mammutversorgungszentren behandelt werden und niedergelassenen Ärzten ihr „Krankenhaus um die Ecke“ fehlt – sowohl für die Versorgung der gemeinsamen Patienten als auch zur Permanentansprache bei medizinischen Problemen.


Gerade diese Möglichkeit des kollegialen Austausches wird von unserem Nachwuchs sehr geschätzt und spielt eine wichtige Rolle bei der Auswahl des Niederlassungsstandortes. Wenn dann auch noch nach dem Willen des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenkassen Fachkollegen abgezogen werden und in diesen Mammutzentren arbeiten sollen, dann fehlt dieser kollegiale Austausch und der Standort wird unattraktiver. Diesen Aspekt dürfen all diejenigen, die sich in sog. Masterplänen viele Gedanken zum Thema Ärztemangel machen, nicht aus den Augen verlieren.

»Geht es nur um die Kostenminimierung?«

Zurück zum Spitzenverband. Warum sollen die Strukturen zum Nachteil von Ärzten (Ende der ambulanten Freiberuflichkeit) und der Patienten zerschlagen werden? Dass es dabei nur um Kostenminimierung geht, kann man angesichts des derzeitigen Milliar­denpolsters nicht so recht verstehen, zumal hinlänglich bekannt ist, dass stationäre Einrichtungen teurer sind, ja sein müssen, wenn sie nach Ausschöpfung aller ambulanten Möglichkeiten richtig eingesetzt werden.


Geht es wirklich wieder nur um Machtausbau? Sollen zunächst die Fachärzte und dann die aussterbende Zunft der Hausärzte zu Erfüllungsgehilfen der Krankenkassen gemacht werden? Die Krankenkassen, mit denen wir es täglich zu tun haben, bestreiten das. Weil sie in diese Zukunftsstrategien (noch) nicht eingebunden sind? Vor Ort klappt die Zusammenarbeit mit den einzelnen Krankenkassen jedenfalls ganz gut. Probleme lassen sich in der Regel in einem Telefonat beheben.


Doch aufgepasst, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wir müssen uns zusammen mit unseren Patienten und den Kommunalpolitikern (die sind ja auch mal krank) dafür starkmachen, dass diese Pläne nicht umgesetzt werden. Ich glaube nicht, dass Sie in der Ausübung des „schönsten Berufes der Welt“ noch mehr eingeschränkt, gegängelt und fremdbestimmt werden wollen. Nichts anderes scheint hier aber geplant zu werden.


Ich wage nicht, daran zu denken, dass sich hinter diesen Absichten eine Unterwanderung der Vertrauensbasis Arzt-Patient verbirgt. Allerdings würden dann die stetigen Horrorgeschichten über böse Ärzte in den Medien Sinn machen. Trotzdem sind wir gerade wieder in einer Umfrage zum Spitzenreiter in der Beliebtheitsskala gewählt worden.

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