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Ärzte und Pflege auf Kooperationskurs?

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Pflegeberufe wollen in ärztliche Bereiche vordringen. Die Politik unterstützt deren Interessenverbände. Professor Dr. Klaus-Dieter Kossow sieht hier Probleme auf die Hausärzte zukommen.

Änderungen im Gesundheitswesen werden nicht nur durch die Probleme der Patienten, sondern oft auch durch Interessen der Politiker und Akteure bewirkt. Dies gilt zumindest für den expandierenden Pflegesektor. Die Interessenverbände der Pflege betreiben die Akademisierung mit dem Ziel, möglichst weit in ärztliche Handlungsfelder einzudringen und durch Erweiterung des Pflegebegriffs das Leben jedes alten Menschen zu begleiten, der über seine körperlichen und geistigen Kräfte nicht mehr ganz verfügt.


Politiker nahezu aller Parteien unterstützen die Pflegeberufe dabei. Versuche, ärztliche Leistungen zu ersetzen, sind beschlossen und sollen nach acht Jahren ausgewertet werden – auch wenn 15 Ärzteverbände sich dagegen positioniert haben.


Nicht akzeptiert wurde der Wunsch der Pflegeverbände, den Pflegebegriff so weit auszudehnen, dass jeder Demenzkranke einen Anspruch auf Begleitung durch eine professionelle Pflegekraft nach dem Sozialrecht gehabt hätte. Vielmehr bleibt es bei den Begutachtungskriterien des MDK. Gleichwohl soll die Hilfe für Demenzkranke, die in keiner Pflegestufe eingruppiert sind und zuhause mit ihren Angehörigen leben, verbessert werden.

Ziel ist das Eindringen in ärztliche Handlungsfelder

Die für die Pflege zuständigen Politiker der großen Parteien und auch der Gesundheitsminister hätten gern mehr getan. Dies hätte aber einen Aufwand von mindestens 3,5 Mrd.Euro pro Jahr zulasten der Pflege- und Krankenversicherung zur Folge gehabt. Die wollte oder konnte der Finanzminister nicht mobilisieren. Die zusätzlichen Leistungen werden nun auf eine Beitragserhöhung in der Pflegeversicherung von 0,1 Prozentpunkten begrenzt – wenn der Bundestag nicht unter dem Einfluss der gut laufenden Konjunktur einen großzügigeren Beschluss fasst.
Strategisch wird weiter versucht, die Pflege primär durch Akademisierung und Verbesserung der praktischen Ausbildung aufzuwerten und sekundär dann die finanziellen Ansprüche durchzusetzen. Inhaltlich bedeutet das, qualifizierte Betreuungsleistungen für Behinderte sowie Grund- und medizinische Behandlungspflege zum Bestandteil des Berufsbildes zu machen.


Die Chancen dafür sind gegeben, weil sich in der haus­ärztlichen Versorgung eine Nachwuchslücke auftut. Diese soll nach Auffassung der parlamentarischen Staatssekretärin im Gesundheitswesen, Annette Widmann-Mauz (CDU), unter anderem durch Substitution von ärztlichen Leistungen durch Pflegekräfte geschlossen werden.

Kooperation mit Pflegekräften ist unerlässlich

Der Deutsche Ärztetag wird sich mit dem Thema befassen. Er wäre gut beraten, sich nicht nur interessenpolitisch zu positionieren. Ohne die Kooperation mit Pflegekräften ist weder die Krankenhausversorgung noch die ambulante Primärversorgung sicherzustellen.


Der Hausärzteverband hat dies schon vor Jahren erkannt. Er bildet Arzthelferinnen nach dem Verah-Konzept weiter, damit sie unter Anleitung und Verantwortung des Hausarztes z.B. bei Hausbesuchen Routine- und Überwachungsaufgaben übernehmen können. In Baden-Württemberg wird dieses Konzept im Vertrag mit den Krankenkassen seit Jahren erfolgreich umgesetzt.


Es muss auf jeden Fall verhindert werden, dass Pflegekräfte als freier Beruf von der Ärzteschaft abgekoppelt werden, am Ende sogar selbst die Steuerung der Patienten durch das System für sich beanspruchen, gleichwohl den Ärzten aber die Verantwortung überlassen. Die Patienten haben einen Anspruch auf eine Verordnung, die durch eine ärztliche Diagnose begründet ist.
Repräsentanten großer Parteien äußern hinter vorgehaltener Hand bisweilen die Auffassung, man müsse die Entwicklung der Pflege- und Gesundheitsfachberufe auch deshalb fördern, um dem Expansionsdrang der Ärzte etwas entgegenzusetzen und weil die Arbeit der Pflegekräfte billiger zu haben sei als die der Ärzte.

Doppelte Kosten, neue Probleme und mehr Bürokratie

Doch warten wir die Modellversuche ab! Denn die Entwicklung könnte ähnlich verlaufen wie in den Vereinigten Staaten. Dort liegt das Vergütungsniveau qualifizierter Pflegekräfte auf dem gleichen Level wie das der Haus­ärzte. Bei einer weiteren Akademisierung der Pflegeberufe und bei den hohen Sozialrabatten, die die Hausärzte hierzulande seit Jahrzehnten leisten müssen, ist eine ähnliche Entwicklung nicht unwahrscheinlich. Das Resultat wäre eine Addition von Pflege- und Behandlungskosten (durch immer mehr unkoordiniert nebeneinander arbeitende Ärzte) verbunden mit neuen Schnittstellenproblemen und noch mehr Kontrollbürokratie.

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