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Ärztin will Kollegen für Hilfseinsätze begeistern

Gesundheitspolitik Autor: Anke Thomas

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Ärzte, Krankenschwestern und Pfleger sind in Kriegs- und Katastrophengebieten willkommene Helfer, die viel Gutes bewirken können. Eine Allgemeinärztin, eine Hebamme und eine Krankenschwester berichteten auf dem Stuttgarter Ärztekongress über ihre Einsätze. Sie schilderten schöne und schreckliche Erlebnisse.

Mit Vorbereitungsseminaren gut für Katastrophengebiete gerüstet
Chirurgen sind in Katastrophengebieten oft gar nicht so sehr gefragt. Denn Schwerverletzte werden in der Regel schnell evakuiert, sagt Tina Werringloer, die als Hebamme bereits zahlreiche Auslandseinsätze erlebt hat. Weil die Infrastruktur in solchen Gebieten oft zusammengebrochen ist, wird allgemeinmedizinische Hilfe benötigt, um die chronisch Kranken zu versorgen.

Die Tagesabläufe sind meist straff organisiert, die Helfer benötigen Zeit, um Strukturen zu schaffen. Bei ihrem Einsatz in Myanmar/Burma, sagt Tina Werringloer, startete das Team pünktlich um 8 Uhr morgens. Gefährlich ist der Einsatz unter anderem auch, weil die muslimische Minderheit von Buddhisten bekämpft wird. Mönche haben die Bevölkerung sogar dazu aufgefordert, Muslime zu ermorden.

Vor Ort muss das Team erst einmal Strukturen schaffen

Zunächst müssen lange Anfahrtswege in Kauf genommen werden, um zum Einsatzort zu kommen bzw. eventuell an einem „Health Cluster Meeting“ der Regierung/WHO/UN etc. teilzunehmen. Mitunter können diese Meetings sehr interessant sein, sagt die Hebamme, weil das Team hier Informationen erhält, welche Organisation welche Hilfe leistet. Das wiederum kann später bei der Versorgung bestimmter Patienten von Nutzen sein.

Vor Ort treffen die Helfer dann auf viele Menschen. Die Herausforderung lautet hier, Strukturen zu schaffen: Wo sollen Patienten warten? Wer übernimmt die Medikamentenausgabe, wo soll diese stattfinden? Wie viele Übersetzer werden benötigt? Auch ein sichtgeschützter Behandlungsort muss gefunden werden. Manchmal kann das ein Mangobaum sein, sagt die Hebamme, manchmal ein Klassenzimmer.

Sehr häufig sind Atemwegserkrankungen, Durchfälle, Fieber oder typische Hauterkrankungen zu behandeln. Es kommen aber auch schwierige, manchmal unlösbare Fälle vor. Mitunter sind Improvisation und Handwerkskunst gefragt, sagt Allgemeinärztin Dr. Gunver Werringloer. Das ist etwa dann der Fall, wenn es darum geht, Schienen für Brüche herzustellen. Zu den Aufgaben des Teams gehört auch, das Hilfspersonal vor Ort zu schulen. Obwohl die Warteschlangen der Patienten nicht abreißen, musste in Burma pünktlich Feierabend gemacht werden, so Tina Werringloer. Denn es kann sehr gefährlich sein, sich nach der Sperrstunde draußen aufzuhalten.

Mit Einführungsseminaren auf Einsätze vorbereiten

In der (einfachen) Unterkunft angekommen, macht auch hier die Bürokratie nicht halt: Es sind Abrechnungen und Patientenstatistiken zu erstellen. Diese Dokumentationen gehen einmal pro Woche an die Hilfsorganisationen, die diese Informationen auch dafür benötigen, den Einsatz von Spendengeldern nachzuweisen.

Kurzeinsätze umfassen etwa drei Wochen, sagt Dr. Werringloer. Davon müssen etwa vier Tage für die An- und Abreise eingerechnet werden. Die Reisekosten, eine Tagesmahlzeit sowie die Übernachtungen werden in der Regel von den Hilfsorganisatio­nen bezahlt. Die Kollegin empfiehlt, sich auf Einsätze mit kurzen Einführungsseminaren vorzubereiten.

Organisationen, die diese Seminare für Katastropheneinsätze anbieten, sind beispielsweise Lands­Aid, Humedica oder die Johanniter. Auf Langzeitaufenthal­te bereiten z.B. Ärzte ohne Grenzen, das Rote Kreuz, die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) vor, so Dr. Werringloer. 

Vom Kampf gegen die Cholera nach der Erdbebenkatastrophe in Port-au-Prince, Haiti, berichtet Gaby Breuckmann. Über sechs Wochen war die Krankenschwester ab Ende 2010 im Einsatz. Sie versorgte in einem Zeltlager täglich 15 Stunden lang Cholerapatienten. Pater Richard, der aus den USA stammt und dort auch Medizin studiert hat, hatte die Hilfsorganisation LandsAid um Hilfe gebeten, für die Breuckmann arbeitet.

Mit einfachen Mitteln (Pritschen mit Löchern, ein Plastikeimer pro Zelt) mussten die Patienten versorgt werden. Breuckmann fliegt regelmäßig nach Haiti, um Pater Richard zu unterstützen. Dieser setzt sich auch dafür ein, dass die Toten würdevoll bestattet werden.

An Donnerstagen geht Breuckmann mit auf eine Tour durch die Slums von Port-au-Prince, bei der ein Team (wegen der Hitze bereits verwesende) namenlose Leichen aus Containern zieht. Die Toten werden in Plastiksäcke verpackt und mit einem Pritschenwagen zu einer Wiese gebracht, die Pater Richard eigens für die Bestattungen der Toten gekauft hat.

Helfer holen teils verwesende Leichen aus Containern

Unter den Leichen aus den Containern finden sich vergewaltigte Frauen, die noch Handfesseln tragen, Männer, die aufgeschlitzt wurden, oder Kinder, die einfach weggeworfen werden. Am Ende sind es ungefähr 150 eingesammelte Leichen.

Auf einer Wiese haben Helfer bereits zwei Tage zuvor begonnen, Gräber auszuheben. Auch wenn das alles sehr schrecklich klingt: Die Helfer sind einerseits sehr betroffen, aber auch sehr erfüllt von diesen Eindrücken. Eine Band spielt fröhliche Musik, um den Toten die letzte Ehre zu erweisen, sagt Gaby Breuckmann.

Einig sind sich die drei erprobten Helfer: Die Einsätze in Hilfs- und Katastrophengebieten sind geprägt von Leid, man erntet aber immer auch Lachen, Freude und Erfüllung.

A. Thomas/Privat A. Thomas/Privat
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