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Ambulante Kodierrichtlinien: Wie erledigt sind sie wirklich?

Gesundheitspolitik Autor: Michael Reischmann

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Da mit dem GKV-Versorgungsstrukturgesetz die Pflicht für Vertragsärzte, Diagnosen gemäß den Ambulanten Kodierrichtlinien (AKR) zu verschlüsseln, ab 2012 entfallen soll, ist der 1. Juli 2011 als Tag der „Scharfschaltung“ hinfällig geworden.

Im Referentenentwurf des GKV-VSG heißt es: „Überregulierungen werden abgebaut. Die Verpflichtung der Selbstverwaltungspartner auf Bundesebene für die Ärztinnen und Ärzte Richtlinien zur Dokumentation der ärztlichen Behandlungsdia­gnosen zu erarbeiten (ambulante Kodierrichtlinien) entfällt.“

Sanktionen entfallen

Der GKV-Spitzenverband sieht deshalb „keine Basis mehr, die mit der KBV getroffene Vereinbarung umzusetzen“, so Pressesprecher Florian Lanz. „Damit dürften auch mögliche Sanktionen für jene Ärzte entfallen, die nach dem 1. Juli die Richtlinien nicht anwenden.“

Schon im ersten Halbjahr war das Ignorieren der AKR bei kollektiv- und selektivvertraglichen Leistungen, die aufgrund einer Regelung im § 295 SGB V seit dem 1.1. für alle Vertragsärzte und -psychotherapeuten gelten, sanktionslos geblieben.

Bei den KVen wartet man auf eine Stellungnahme des Bundesgesundheitsministeriums wie angesichts der geltenden und der künftigen Rechtslage zu handeln ist. Das BMG antwortete Medical Tribune: „Die Selbstverwaltung hat die Umsetzung eigenverantwortlich in der Hand.“ Der Referentenentwurf zum GKV-VSG sehe vor, das System der vertragsärztlichen Vergütung zu flexibilisieren und zu regionalisieren. Zentrale Umsetzungsvorgaben der gemeinsamen Selbstverwaltung auf Bundesebene für die Gestaltung der Vergütungen würden zurückgenommen. „Die Abrechnungsvorgaben in Form von AKR entfallen in diesem Zusammenhang ersatzlos.“

Die KV Rheinland-Pfalz befürchtet aber, dass der Wegfall der AKR, die insbesondere für Hausärzte in ihrer bisherigen Form als untauglich kritisiert wurden, nachteilige Effekte für die Kollegen haben könnte. Auf der Vertreterversammlung in Mainz wies KV-Chefin Dr. Sigrid Ultes-Kaiser darauf hin, dass es ohne valide Kodierung der wachsenden Krankheitslast schwieriger wird, mit den Kassen eine höhere Vergütung auszuhandeln. Sie argwöhnt, dass deshalb der KV jährlich ein Zuwachs von einem Prozentpunkt bzw. 15 Mio. Euro entgehen könnte.

Dilemma regional lösen?

Damit bleibt im Raum stehen, ob die KV freiwillig die AKR als Instrument für höhere Honorarforderungen weiterverfolgen wird. Wenn es zutrifft, dass richtiges Kodieren zu einer Erhöhung des Gesamthonorars führt, sieht Dr. Olaf Döscher, Vorsitzender der KV-Vertreterversamlung, die KV-Vertreter in der Pflicht, „alles zu unternehmen, um diese Bedingungen zu erfüllen.“

Die KV Sachsen-Anhalt, deren Vertreterversammlung sich für den AKR-Einsatz zum 1. Juli ausgesprochen hatte, damit die dokumentierte Morbidität in der Weiterentwicklung der Vergütung spätestens ab 2013 voll berücksichtigt wird, will ihre Mitglieder über das weitere Vorgehen in der 26. Kalenderwoche informieren. „Der Vorstand der KVSA hat bisher noch keine Entscheidung getroffen“, hieß es auf MT-Anfrage.

Aufgrund solcher Töne sieht Dr. Gerd W. Zimmermann, Vor­stand der AKR-kritischen KV Hessen, das Bürokratiemonster als noch nicht erledigt an. „Es gibt weiterhin Mandatsträger in den KVen und der KBV, die ihren Mitgliedern vorgegaukelt haben, nur über die AKR-Anwendung könne künftig ein Honorar­anstieg realisiert werden. Sie werden versuchen, ihr Gesicht zu wahren und eine Selbstverwaltungsregelung zu entwickeln, die den AKR-Einsatz doch noch erlaubt.“ Man müsse abwarten, „was nach letzter Fassung des Versorgungsgesetzes 2012 in Richtung Diagnosekodierung kommt“, bleibt Dr. Zimmermann vorsichtig.

Ein KBV-Beschluss vom 17. Mai sieht eine freiwillige Einführung der AKR zum 1.1.2012 vor; KBV-Chef Dr. Andreas Köhler hat aber auf der anschließenden Vertreterversammlung in Kiel erklärt, dass er die Gesetzesregelung umsetzen wird.

Der GKV-Spitzenverband bekundet, dass er die Abkehr von den AKR für „falsch“ hält. Wenn eine bessere Diagnosequalität erreicht werden soll, müssten alle Ärzte nach einheitlichen Vorgaben kodieren. Der Kassenverband fordert die Politik auf, „die Messung von vergütungsrelevanten Morbiditätsveränderungen nicht mehr auf der Grundlage der ärztlichen Diagnosen durchzuführen“.

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