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Ambulante spezialfachärztliche Versorgung von Krebspatienten

Gesundheitspolitik Autor: Cornelia Kolbeck

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Patienten mit gastrointestinalen Tumoren und Tumoren der Bauchhöhle können sich künftig in Kliniken und Praxen ambulant spezialfachärztlich versorgen lassen. Konkrete Regelungen beschloss der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) am 20. Februar.

Als "Blaupause für alle weiteren Anlagen zu onkologischen Erkrankungen" bezeichnete Dr. Regina Klakow-Franck, unparteiisches Mitglied im G-BA, den Beschluss des Gremiums zur ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung (ASV) nach § 116b SGB V.

Sie äußerte sich in der G-BA-Pressekonferenz zufrieden über die Regelungen zum neuen Behandlungsangebot, das am 1. Juli starten soll. Die ASV werde zu einem dritten Sektor in der Versorgung – und sei "enorm ausbaufähig".

Die Patienten seien "froh über die Konkretisierung" ergänzte Patientenvertreterin Renate Pfeiffer. Die Begrenzung der ASV durch den Gesetzgeber auf schwere Fälle kritisierte sie allerdings: Das sei "schwer mitzutragen". Dennoch bestehe jetzt zunächst einmal die Hoffnung auf Verbesserungen für viele Patienten.

Deutsche Krankenhausgesellschaft spricht von einem "Rückschlag"

Der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Georg Baum, sprach dagegen von einem „Rückschlag“ im Vergleich zur Situation mit dem alten § 116b SGB V. Durch die "kritische Einschränkung" auf fortgeschrittene Erkrankungen und Erkrankungen mit schlechter Prognose werde jetzt vielen Patienten, vornehmlich denen mit Darm- oder Magenkrebs, die Möglichkeit der ambulanten Behandlung durch Krebsspezialisten an Krankenhäusern verwehrt.

Mit Blick auf Zahlen der Krankenkassen gab Baum an, dass statt der bisher jährlich 280 000 Betroffenen mit Krebsneuerkrankungen nun nur noch 140 000 Patienten berechtigt sein werden, die kompetente Medizin der Kliniken in Anspruch zu nehmen. Die DKG hatte sich bei der G-BA-Abstimmung zur ASV der Stimme enthalten.

ASV als komplexe Konstruktion

"Die Konstruktion ASV ist komplex, aber wir sind einen Schritt weitergekommen", sagte Dr. Wulf-Dietrich Leber, Abteilungsleiter Krankenhäuser beim GKV-Spitzenverband. Bei der ASV handele es sich um einen "ausgesprochen strittigen Bereich", im Vorfeld des Beschlusses habe es "40 Kampfabstimmungen mit wechselnden Mehrheiten" gegeben.

Dass DKG-Hauptgeschäftsführer Baum nun von einem "Rückschlag" spricht, hält Leber für eine "unverantwortliche Irreführung der Öffentlichkeit". Schließlich würden künftig mehr Menschen von Expertenteams versorgt. In Süddeutschland gebe es bisher keine ASV-Zulassung; die werde es dann aber geben.

Möglicherweise seien "nicht alle Einkommensfantasien der DKG bedient worden", so der Kassenvertreter spitz. Es sei ja auch nicht so, dass die ASV die einzige Versorgungsform für onkologische Erkrankungen wäre, sie sei aber die einzige für besonders schwere Fälle.

Lange diskutiert: Welche Ärzte gehören ins Kernteam?

In der Anlage zur ASV-Richtlinie wurde die erste Regelung für eine schwere Verlaufsform einer Erkrankung mit besonderem Krankheitsverlauf getroffen. Diese umfasst Diagnostik, Behandlung und Beratung von erwachsenen Patienten mit regelhaft schweren Verlaufsformen von bösartigen Krebserkrankungen, insbesondere des Darms, der Gallenblase, der Leber oder der Bauchspeicheldrüse.

Aber auch andere Organe des Bauchs, wie Milz oder Nieren, können von solchen Tumoren betroffen sein und künftig ambulant spezialfachärztlich behandelt werden. 22 Indikationen für regelhaft schwere Verlaufsformen und 19 für im Einzelfall schwere Verlaufsformen sind in der Anlage aufgelistet.

Weitere Vorgaben werden zur ASV-Teamleitung, dem Kernteam und den hinzuzuziehenden Fachärzten gemacht. Zum Kernteam gehören z.B. Fachärzte für Innere Medizin, Gastroenterologie, Hämatologie, Onkologie, Strahlentherapie sowie für Allgemein- oder Viszeralchirurgie. Ein dreiviertel Jahr wurde über die Auswahl im G-BA diskutiert.

EBM-Positionen zur ASV auf 45 Seiten aufgelistet

Im Appendix wird auf über 45 Seiten der ASV-Behandlungsumfang anhand von EBM-Positionen aufgelistet. Der um die DKG ergänzte Bewertungsausschuss hat nach Inkrafttreten der Anlage sechs Monate Zeit, um die Vergütung für die ASV auf Basis des EBM anzupassen.

Zwar stehen bereits rund 95 % der Abrechnung fest, problematisch sind jedoch sektorenübergreifende Leistungen, für die der EBM bisher keine Positionen vorsieht wie die Koordination der Behandlung und die Palliativversorgung. Laut Dr. Klakow-Franck will der G-BA am 20. März die Gebührenpositionen auf Grundlage der Onkologievereinbarung konkretisieren und ergänzende Mindestmengen für einzelne onkologische Behandlungen festlegen.

Die Bundespsychotherapeutenkammer kritisiert den ASV-Beschluss. Magen- und Darmkrebs­patienten könnten nicht nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft psychoonkologisch versorgt werden. Bis zu einem Drittel aller Krebspatienten litten unter behandlungsbedürftigen psychischen Erkrankungen oder ausgeprägten psychischen Belas­tungen.  

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