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Anonyme Arztbewertung ist feiger Rufmord

Autor: Dr. Günther Gerhardt

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Rufmord im Internet, besonders auf Bewertungsportalen für Ärzte soll bestraft werden, fordert unser Kolumnist Dr. Günter Gerhardt. Dafür ist er sogar bereit, bis vors Verfassungsgericht zu ziehen.

Fast unbemerkt wies im Sommer dieses Jahres der Bundesgerichtshof (BGH) den Auskunftsanspruch eines Arztes zurück, der wissen wollte, wer online Unsinn über ihn verbreitet. Ende September wurde das Urteil zugestellt, es liegt also jetzt in schriftlicher Form vor.

Was war passiert? Ein Arzt sah sich durch unwahre Bewertungen auf einem Ärztebewertungsportal in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt und wollte sich dagegen zur Wehr setzen. Der Kollege klagte gegen den Portalbetreiber auf Unterlassung der Verbreitung dieser Bewertungen sowie auf die Herausgabe der Anmeldedaten des Bewertenden, um direkt gegen diesen vorgehen zu können.

Landes- und Oberlandesgericht gaben dem Arzt recht und verurteilten den Portalbetreiber dazu, es zu unterlassen, die beanstandeten Behauptungen zu verbreiten. Außerdem müssten dem Arzt die Anmeldedaten des Verfassers der Bewertung mitgeteilt werden: § 13 Abs. 6 Satz 1 des Telemediengesetzes (TMG), wonach ein Dienstanbieter die Nutzung von Internetdiensten anonym zu ermöglichen habe, schließe einen zivilrechtlichen Auskunftsanspruch nicht aus.

Ist der Shitstorm erst mal groß genug, kann das bis hin zur Existenzvernichtung gehen.

Bis hierher klingt das für mich nachvollziehbar und logisch. Es kann doch nicht sein, dass unter dem Deckmantel der Anonymität des Internets unwahre, ehrabschneidende Behauptungen aufgestellt werden dürfen, deren Auswirkungen einem Rufmord gleichkommen. Ist der Shitstorm erst mal groß genug, kann das bis hin zur Existenzvernichtung gehen.

Nun, es kann doch sein! Der Portalbetreiber klagte gegen die vorinstanzliche Verurteilung – und siehe da, der BGH wies den Auskunftsanspruch des Arztes zurück und bestätigte nur dessen Unterlassungsanspruch. Diese Richter stützen ihre Entscheidung auf § 12 Absatz 2 TMG: Der Betreiber eines Internetportals ist ohne gesetzliche Ermächtigungsgrundlage nicht befugt, die Anmeldedaten eines Nutzers ohne dessen Einwilligung wegen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung an den Betroffenen zu übermitteln.

Der Knackpunkt dieses Falles liegt in der Abwägung, ob das Recht des Arztes auf informationelle Selbstbestimmung stärker wiegt als das Recht des Portalbetreibers auf Kommunikationsfreiheit. Der BGH dazu: Das Recht auf Kommunika­tionsfreiheit überwiegt! Meinungsfreiheit killt also Berufsausübungsfreiheit! In jedem Fall? Nein. § 14 Abs. 2 TMG regelt, in welchen Fällen ein Dienstanbieter berechtigt ist, die Daten eines Nutzers ohne dessen Einwilligung herauszugeben: u.a. zu Zwecken der Strafverfolgung oder zur Gefahrenabwehr durch die Polizei. Eine Persönlichkeitsrechtsverletzung durch den Nutzer hat der Gesetzgeber nicht vorgesehen.

Die Anwaltschaft finanziert die Verfassungsklage

Und genau hier muss etwas geschehen. Wie? Mit einer Verfassungsklage vor dem Bundesverfassungsgericht. Die ebenfalls betroffene Anwaltschaft finanziert dankenswerterweise die Verfassungsbeschwerde; der betroffene Arzt „hat die Nase voll von der Juristerei“. Bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist es wichtig, dass wir beachten, dass zwar Meinungsäußerungen unter dem Schutz der Meinungsfreiheit stehen, unwahre Tatsachenbehauptungen jedoch nicht.

Genau dazu hat der BGH den Unterlassungsanspruch des Arztes bestätigt. Schützen können und müssen wir uns mit folgendem Vorgehen: Den Betreiber darauf hinweisen, dass Falsches im Bewertungsportal steht. Er muss den Falschmelder auffordern, die sog. Tatsachen zu belegen. Gelingt ihm das nicht, muss gelöscht werden. Will der Arzt an die Daten des Falschmelders, hilft nur eine Anzeige gegen Unbekannt wegen übler Nachrede/Verleumdung (= Strafverfolgung s.o. § 14 TMG).

Die Strafverfolgungsbehörde wird die Daten nicht direkt an den Betroffenen herausgeben, wohl aber an einen beauftragten Rechtsanwalt. Also, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch hier gilt: Wir müssen uns gegen unwahre Behauptungen zur Wehr setzen!

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