Anzeige

Anti-Korruptionsgesetz stößt auf Bedenken

Autor: Michael Reischmann, Foto: Jesco Denzel

Anzeige

Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen überzeugt Vertreter von Ärztekammern, KVen und Berufsverbänden nicht.

Eine Sorge ist: Für die Patienten sinnvolle Kooperationen werden durch ein unkalkulierbares Strafbarkeitsrisiko behindert.

Zwar sei es Verbänden und Körperschaften durch Gespräche und Stellungnahmen gelungen, Änderungen gegenüber dem Referentenentwurf zu bewirken, etwa bei der Einschränkung der relevanten Berufspflichtverletzungen, stellt der Vorsitzende des Hartmannbundes, Dr. Klaus Reinhardt, fest. Doch nach wie vor bestehe bei einigen Kooperationsmodellen wegen Unschärfen noch "erhebliche Rechtsunsicherheit".

Der Kabinettsentwurf sieht vor, Bestechlichkeit im Gesundheitswesen (§ 299a StGB) bzw. Bestechung (§ 299b) beim Verordnen, Abgeben und Beziehen von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln und Medizinprodukten sowie bei der "Zuführung" von Patienten und Laborproben mit Geld- oder Freiheitsstrafe (bis zu fünf Jahren) zu ahnden.

Verstoß gegen Berufsordnung muss nicht strafbar sein

Vorausgesetzt, die verlangten, angebotenen oder gewährten Vorteile sind mit einer unlauteren Bevorzugung im Wettbewerb oder einer Verletzung der "berufsrechtlichen Pflicht zur Wahrung der heilberuflichen Unabhängigkeit" als Gegenleistung verbunden. Normadressaten sind u.a. Vertrags- und Privatärzte, Psychotherapeuten, Apotheker, Krankenpfleger und Physiotherapeuten.

Dabei wird auf die Berufsordnungen Bezug genommen. Mit Beispielen versucht das federführende Justizministerium im neuen Entwurf eine Trennung zwischen unproblematischen und verbotenen Vorgängen herzustellen.

Unproblematisch sind demnach Präsente, denen die "objektive Eignung fehlt, konkrete heilberufliche Entscheidungen zu beeinflussen", übliche Rabatte und Skonti sowie Zuwendungen, die nur auf das "allgemeine Wohlwollen" des Nehmers zielen. Entscheidend ist etwa, ob ein Vorteil an eine unrechtmäßige Gegenleistung geknüpft ist (sog. Unrechtsvereinbarung) und ob ein Entgelt "angemessen" ist, also dem geleisteten Aufwand entspricht.

Prognose: bundesweit mehr als hundert Fälle pro Jahr

Beispielsweise sei die Annahme eines Vorteils für die Teilnahme an einer Fortbildungsveranstaltung, "der über die notwendigen Reisekosten und Tagungsgebühren hinausgeht, zwar ein Verstoß gegen berufsrechtliche Pflichten (§ 32 Absatz 2 MBO)", jedoch nur dann strafbar, wenn er als Gegenleistung für eine unlautere Bevorzugung oder die Berufspflichtverletzung gedacht sei.

In § 301 StGB ist vorgesehen, dass eine Verfolgung nur auf Strafantrag geschehen soll. Es sei denn, Staatsanwaltschaft und Polizei werden wegen des besonderen öffentlichen Interesses von Amts wegen tätig. Antragsteller können Kammern, KVen, gesetzliche und private Kranken- bzw. Pflegekassen, bestimmte Berufsverbände sowie die "Verletzten" selbst sein, also auch betroffene Patienten.

"Die bundesweite Fallzahl wird sich voraussichtlich im niedrigen dreistelligen Bereich bewegen", schätzt die Regierung. Für die neuen Tatbestände werden die Wirtschaftsstrafkammern bei den Landgerichten zuständig sein. KVen und Kassen werden verpflichtet, sich regelmäßig mit Vertretern von Kammern und Staatsanwaltschaften zu treffen, um über Fälle (Art, Schwere, Ahndung) sowie Gegenmaßnahmen zu sprechen; die Aufsichtsbehörden sind darüber zu informieren.

Linke: Whistleblowerschutz für Arzthelferinnen schaffen!

Während mancher Vorstand einer KV oder Ärztekammer das Gesetz aufgrund bestehender Regelungen und Sanktionsmöglichkeiten für "überflüssig" hält, geht es z.B. der Bundestagsfraktion Die Linke nicht weit genug. "Seltsam zahm" findet Kathrin Vogler, Sprecherin für Arzneimittelpolitik und Patientenrechte, den Entwurf.

Die Fraktion möchte "auch die Bestrafung von Vorteilsnahme und Vorteilsgewährung". Außerdem müssten MFAs, denen Korruption auffällt, Anzeige erstatten dürfen. Dafür bedürfe es eines umfassenden Whistleblowerschutzes, "damit das Aufdecken von Korruption nicht zum Verlust des Arbeitsplatzes führt".

"Kronzeugen-Regelungen" fordert auch der IKK e.V. Zudem müssten die Bundesländer, Schwerpunkt-Staatsanwaltschaften einrichten, "um die Zusammenarbeit mit den Krankenkassen zu forcieren". Der Gesetzesentwurf soll nach der Sommerpause im Bundestag beraten werden und voraussichtlich 2016 in Kraft treten.


Anzeige