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AOK zahlt Extra-Euros für genaue Kodierung

Gesundheitspolitik Autor: Michael Reischmann

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2010/11 wetterte die KV Hessen (erfolgreich) gegen die Einführung der Ambulanten Kodierrichtlinien. Heute legt sie ihren Mitgliedern eine genauere Kodierung der Morbidität ans Herz.

Die AOK steuert seit April dafür extrabudgetär 4, 6 oder 8 Euro pro Fall bei. Damit verbunden ist eine „besondere Betreuungsstruktur“. Der Hausärzteverband sieht darin aber keine Konkurrenz zur HzV.

Mit Rundschreiben, einer ICD-10-Tischvorlage und Informationsveranstaltungen klärt die KV Hessen ihre Mitglieder über den neuen, zweijährigen "Betreuungsstrukturvertrag" mit der AOK auf.

Es geht um ein "besonderes Sprechstundenmanagement und/oder Wartezeitenmanagement und/oder die Koordinierung anschließender und begleitender Behandlungen" von Patienten mit "schwierigen und langwierigen Erkrankungen".

Katalog umfasst 1200 Diagnosen, 3 Pseudoziffern zur Auswahl

Dazu haben sich KV und AOK auf einen Katalog von fast 1200 Dia­gnosen (ICD) sowie drei Pseudoziffern verständigt, die ein Arzt oder Psychotherapeut bei seiner Abrechnung ansetzen kann.

Für die ausgewählten, gesicherten und endstellig kodierten Diagnosen, die ab dem 1.4.2014 notiert werden, zahlt die AOK pro Fall vier Euro (eine Dia­gnose), sechs Euro (zwei Diagnosen) oder acht Euro (drei und mehr Diagnosen). Die ICD muss nicht aus dem eigenen Fachgebiet stammen.

Ob dabei wirklich ein "erweitertes Beratungs- und Betreuungsangebot" zum Zuge kommt, will die AOK durch eine Umfrage bei den Patienten feststellen, teilte die KV auf Anfrage von Medical Tribune mit.

Hessen bei der Kodierqualität auf einem der letzten Plätze

Wichtig ist jedenfalls eine genauere Kodierung der Morbidität – auch für künftige Honorarverhandlungen mit den Krankenkassen. Bei der Kodierqualität befinde sich Hessen bundesweit auf einem der letzten Plätze, stellt die KV fest. Dabei seien die Leute hier nicht gesünder als andernorts.

§ 295 SGB V verpflichte die Vertragsärzte sowieso, umfassend zu kodieren. "Das wurde in der Vergangenheit etwas entspannter gesehen, im Zuge der Diskussion um die Ambulante Kodierrichtlinien sogar politisch abgelehnt." Folglich sei die Kodierung "nicht tief genug erfolgt und dies wollen wir ändern", erklärt die KV. Die AOK schließt sich dem an.

Hausärzte, die am HzV-Vertrag von AOK und Hausärzteverband teilnehmen, können die Pseudoziffern nicht für eingeschriebene AOK-Patienten ansetzen. Anders ist es beim Facharzt, der bei einem HzV-Patienten in puncto Sprechstunden, Wartezeiten oder Koordinierung Besonderes tut und entsprechend kodiert. Die KV will den Betreuungsstrukturvertrag nicht als Alternative zur HzV verstanden wissen: Eingeschriebene HzV-Patienten sollten "tunlichst auf einen Wechsel verzichten".

Dr. Dieter Conrad, Chef des Hessischen Hausärzteverbandes, äußert sich entspannt: Es handele sich um einen "reinen Kodiervertrag", wie es ihn auch in Berlin gebe. Alles, was Haus­ärzten Geld bringe, sei nicht schlecht, so Dr. Conrad.

KV-Fallwert liegt immer noch unter dem in der HzV

Der Fallwert in der HzV sei mit über 70 Euro deutlich höher als der KV-Fallwert von 47 Euro – selbst wenn jetzt noch vier bis acht Euro dazukommen, so der Verbandschef. Allerdings räumt er ein, dass die HzV mehr Aufwand erfordert.

Beim Betreuungsstrukturvertrag muss sich niemand einschreiben. Ein Arzt, der nicht mitmachen möchte, verzichtet einfach auf die Abrechnung der Pseudoziffern, so die KV.

Bessere Kodierung lässt sich die AOK etwas kosten

Ob sich der neue Vertrag für die AOK durch höhere Zuweisungen aus dem Risikostrukturausgleich rechnet? Die KV äußert sich zur Höhe des Honorarvolumens nur vage: "Wir gehen jährlich von einem einstelligen Millionenbetrag aus."

Die Kasse will das nicht weiter ergänzen. Dr. Conrad schätzt, dass der Vertrag die AOK aufgrund der Einbindung aller Vertragsärzte und -Psychotherapeuten "richtig viel Geld" kosten kann.
 

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