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App trickst fachärztlichen Abkürzungswahn aus

Autor: Dr. Cornelia Tauber-Bachmann

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UDU, ESWL, HFPPV und PONV. Für diesen Abkürzungswahn braucht man eine App, findet MT-Kolumnistin Dr. Cornelia Tauber-Bachmann.

Also, dass ich nun wirklich keine spezielle Freundin der Computer und der virtuellen Welt bin, habe ich wohl schon mehrmals an dieser Stelle deutlich gemacht. Aber auch ich komme freilich nicht mehr ohne den Computer aus: vom Karteikarteneintrag in der Praxis zu den Übertragungen der Laborwerte, von der Patientenverwaltung bis zur Abrechnung bzw. Rechnungsstellung benutze ich selbstverständlich die elektronischen Hilfsmittel. Und ich kann es mir gar nicht mehr anders vorstellen, obwohl ich ja viele Jahre lang in der „Vor-Computer-Ära“ medizinisch tätig war – aus heutiger Sicht geradezu steinzeitlich.


Unzweifelhaft hat auch das Handy unseren Freiraum während der Bereitschafts- und Nachtdienste immens erweitert. Ungeheuer praktisch finde ich es auch, Nachrichten rasch per E-Mail übermitteln zu können, sowohl beruflich als auch privat. Doch nun habe ich mir von Freunden meines Sohnes sagen lassen müssen, dass E-Mails schon wieder überholt sind, vorsintflutlich fast. Meine Praxis sei ohne Registrierung bei sozialen Netzwerken wie Facebook oder WhatsApp ein „No-Go“, lautete ihr Urteil.

»E-Mails schon längst wieder überholt«

Ihre Chefs, ein Restaurant-Betreiber und ein Vermögensberater, hätten sich da schon lange platziert. Dabei fielen auch Wörter wie Twitter, Linkedin und Xing, mit denen ich gar nichts anfangen konnte. Und meine Entschuldigung, dass mein Chinesisch schlecht sei, wurde von den jungen Leuten  mit höflich-mildem Lächeln quittiert. Einen wirklich tollen Tipp bekam ich aber jetzt von einem Kollegen, der schon lange „im Geschäft“ ist: Ich sollte mir mal eine App für medizinische Abkürzungen herunterladen. Dank dieser App könne  man auch als Arzt/Ärztin in fortgeschrittenen Jahren wieder Befunde vom Facharzt verstehen.


Tatsächlich hatte ich in der letzten Zeit immer mehr Probleme, die Abkürzungen in den Briefen der Kollegen nachzuvollziehen. Irgendwie hat sich da seit meiner Klinikzeit ganz viel in der Medizinersprache geändert: Geradezu wie eine Epidemie breiten sich Abkürzungen in Befunden, Diagnosen und Therapieverfahren aus. Einige klinische Befunde haben mittlerweile eine englische Nomenklatur und die wird dann auch noch abgekürzt.


Daher kann ich inzwischen recht viele Facharztbriefe ohne zeitintensive Internetrecherchen kaum noch verstehen. Oft muss meine Helferin sogar in der jeweiligen Facharztpraxis anrufen und sich die Hieroglyphen „ausdeutschen“ lassen. Ziemlich aufwendig das Ganze: Manchmal lässt sich das nicht mit der medizinischen Angestellten am anderen Ende der Telefonleitung klären und der Kollege muss sogar selbst ran.

»Dank dieser App wieder Befunde vom Facharzt verstehen.«

Und nun diese App: Tatsächlich, damit lässt sich rasch nachschauen, was UDU und ESWL im Brief aus der urologischen Klinik bedeuten – eben urodynamische Untersuchung und extrakorporale Stoßwellenlithotripsie. Auch die Behandlung, die der Patient dort erhalten hat, wird so leicht nachvollziehbar. Die Abkürzung PONV bereitet mir jedoch zunächst Schwierigkeiten, ich kann sie mir dann aber mit ein bisschen Englisch und aus dem Zusammenhang herleiten: „postoperative nausea and vomiting“. Bei HFPPV muss ich als Hausärztin dann wirklich passen; es bedeutet, dass der Patient mit „high frequency positive pressure ventilation“ beatmet wurde.


Na ja, und dann wird es auch noch komplizierter. Denn bei HWI kommt es ganz darauf an, aus welcher Klinik oder welcher Abteilung der Brief stammt. Denn das Kürzel kann sowohl Harnwegsinfekt als auch Hinterwandinfarkt bedeuten. Also den Briefkopf sollte ich weiterhin mitlesen! Auch bei PA ist das sinnvoll – Prostataadenom oder perniziöse Anämie. Und p.a. sollte sich ebenso aus dem Zusammenhang erschließen: per anum oder posterior-anterior.

»Bei HFPPV muss ich als Hausärztin passen«

Vielleicht ist ja meine neue App als „Medical Task Force“ auch schon wieder ein bisschen obsolet und ich bekomme bald eine noch pfiffigere Version. Die reflektiert dann sogar gleich mit, welche Diagnose sich tatsächlich hinter HWI oder PA beim jeweiligen Patienten verbirgt – und das erspart mir den „second look“ auf den Briefkopf.


Nichtsdestotrotz ist mein neues Programm super praktisch und extrem hilfreich. Auch beim Hausbesuch habe ich es zur Hand und kann mich so rasch informieren. Als Computer-Greenhorn bin ich dem freundlichen Kollegen daher sehr dankbar. Und so werden wir (älteren) Hausärzte jetzt auch mit dem „Fä Akü Wa“ fertig, dem fachärztlichen Abkürzungs-Wahn!

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