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Arzneimittelengpässe: Hersteller sehen die Schuld nicht bei sich

Gesundheitspolitik Autor: Cornelia Kolbeck

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"Versäumnisse bei den Herstellern sehe ich nicht", sagt der Geschäftsführer für Forschung, Entwicklung und Innovation beim vfa, Dr. Siegfried Throm. angesichts immer wieder auftretender Engpässe bei Medikamenten, darunter Impfstoffe, Tumorpräparate und Antibiotika.

Gemessen am Arzneimittelsortiment seien Lieferschwierigkeiten sehr selten, so Dr. Throm. "Eine Lieferschwierigkeit ist auch nicht immer mit einem Versorgungsengpass verbunden."

Er nennt Beispiele: Schilddrüsenpräparate konnten in den letzten Wochen von zwei Anbietern nicht geliefert werden, jedoch von drei anderen. Das bei resistenten Keimen verstärkt nachgefragte Antibiotikum Fosfomycin war in der 3-g-Wirkstärke nicht verfügbar, wohl aber in der 2-g- und 5-g-Wirkstärke.

Ersatzlieferanten gab es auch für den Blutdrucksenker Metoprolol und das Krebsmittel Methotrexat (25-ml-Injektionslösung). Nur für die 100-mg-Ampullen des zurzeit nicht lieferbaren Tumorpräparates Carmustir stehe bisher keine Alternative zur Verfügung.

Bei Medikamenten wird von einem Lieferengpass gesprochen, wenn es eine voraussichtlich länger als zwei Wochen dauernde Unterbrechung der Auslieferung gibt oder eine vermehrte Nachfrage nicht angemessen gedeckt werden kann, erklärt Dr. Throm. Auf diese Definition hatten sich Ärzte, Hersteller, Distributoren und Bundesgesundheitsministerium geeinigt.

33 solcher Lieferengpässe wurden laut Dr. Throm seit April 2013 beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) gemeldet, 21 sind beseitigt. Ende März waren 13 Medikamente gelistet.

Nachfrage in China hat weltweite Auswirkungen

Lieferengpässe treten aufgrund der Globalisierung inzwischen überall auf, denn die Pharmaproduktion ist auf den Weltmarkt ausgerichtet. Die Ursachen sind vielfältig. Technische oder Qualitätsmängel in der Wirkstoffproduktion, Brände oder Naturereignisse können den Ausfall einer Produktionsanlage nach sich ziehen.

Neue Gesetze oder Verordnungen machen Umrüstungen notwendig. Ein gestiegener Bedarf wegen einer Epidemie oder nationaler Gesundheitsprogramme kann weltweit Folgen haben. In China etwa wird derzeit die gesundheitliche Versorgung auf Landbewohner und nicht beschäftigte Städter ausgeweitet.

Im Fokus stehen Krebs, Typ-2-Diabetes, Herzerkrankungen und psychische Störungen. "Sie können sich vorstellen, welche Nachfrage das bei Millionen Chinesen ergibt", so der vfa-Geschäftsführer.

In den USA sind vor allem patentfreie Injektions- bzw. Infusionslösungen von Liefereinbrüchen betroffen. Von 2010 bis 2012 gab es 628 Neumeldungen bei der Kontrollbehörde FDA.

Die meisten Ausfälle konnten durch zeitnahe Inspektionen und Genehmigungen von Produktionsänderungen sowie neu erteilte Importerlaubnisse und Ausnahmegenehmigungen behoben werden. Ähnliches wünscht Dr. Throm für Deutschland: "Die Behörde muss zum Beispiel nach Abschluss von Sanierungsmaßnahmen schnell kommen und zulassen."

Als "gute Maßnahme" bezeichnet er, dass im April 2013 das BfArM-Portal zur Meldung von Lieferproblemen bei Medikamenten gegen schwere und lebensbedrohliche Erkrankungen online ging.

Apothekerverband: Engpässe nicht verharmlosen!

Nicht überzeugt zeigt sich der vfa-Geschäftsführer dagegen von Forderungen nach einer gesetzlich definierten Pflicht zur Vorratshaltung von Medikamenten über die aktuellen Fristen hinaus.

Er sieht Probleme bei der Verteilungsgerechtigkeit, wenn Medikamente in anderen Ländern bereits knapp werden, und er ist sich nicht sicher, ob Medikamente nach sechs Monaten noch verkäuflich sind. Unklar sei auch, wer für den zusätzlichen Lagerraum, das gebundene Kapital und die Vernichtung nicht absetzbarer Ware finanziell aufkommen würde.

Kritisch äußert sich Dr. Throm zu Rabattverträgen: "Ausschreibungen von Krankenkassen verschärfen Versorgungsengpässe massiv." Er erinnert an Lieferprobleme bei Grippe-, FSME- und aktuell Windpocken-Impfstoffen. "Ein Verzicht auf Ausschreibungen im Impfstoffmarkt erhöht die Versorgungssicherheit", ist er sich sicher.

Dr. Throm lobt deshalb auch, dass in der schwarz-roten Koalitionsvereinbarung für Rabattverträge Vorsorgemaßnahmen gegen Lieferengpässe vorgesehen sind, insbesondere wenn es um Impfstoffe geht.

Er spricht sich ferner gegen Verordnungsvorgaben der KVen für Leitsubstanzen aus. Hier sollte es keine Quoten geben: "Wir plädieren für Anbieter- und Produktvielfalt."

Dr. Throms Darstellung, dass vielfach andere Hersteller bei Lieferproblemen kurzfristig einspringen bzw. andere Wirkstärken verfügbar sind, bezeichnet der stellvertretende Vorsitzende des Hessischen Apothekerverbandes, Hans Rudolf Diefenbach, als "Zynismus pur". So etwas könne man doch keinem Patienten, der etwa an Krebs oder anderen Krankheiten leide und dringend auf seine Arzneimittel angewiesen sei, ins Gesicht sagen.

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