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Arzneinutzen-Software darf uns nicht belasten!

Autor: Dr. Günter Gerhardt, Allgemeinarzt aus Wendelsheim

Das ArzneiMittel-Versorgungs-StärkungsGesetz (AM-VSG) wird im Februar/März diesen Jahres verabschiedet. Das ArzneiMittel-Versorgungs-StärkungsGesetz (AM-VSG) wird im Februar/März diesen Jahres verabschiedet. © fotolia/Kaspars Grinvalds/privat
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Fluch und Segen der Arzneimittelverordnung - laut Dr. Günter Gerhardt ist Vorsicht beim im ArzneiMittel-Versorgungs-StärkungsGesetz (AM-VSG) verankerten Arzt-Informations-System (AIS) geboten.

Im September vergangenen Jahres hatte ich vom „Fluch und Segen der Arzneimittelverordnung“ berichtet und auf die große Gefahr hingewiesen, dass die Kassen versuchen, das im ArzneiMittel-VersorgungsStärkungsGesetz (AM-VSG) verankerte Arzt-Informations-System (AIS) für Einzelfallprüfungen zu missbrauchen und uns mit Regressen zu überziehen. Im November erfolgte die 1. Lesung des Gesetzes im Bundestag, anschließend berät der Gesundheitsausschuss des Bundestags die Details und im Februar/März 2017 wird das AM-VSG wohl verabschiedet.

Der Februartermin ist für die Politik günstig, da von der KBV keine Gegenwehr zu erwarten ist, endete doch die Amtszeit Gassen/Feldmann zum 31.12.2016 und der neue KBVVorstand wird erst im März 2017 gewählt. Die KBV-Vertreterversammlung hat Dr. Gassen bis zum 3. März 2017 ein Übergangsmandat gegeben, Regina Feldmann ist seit Januar wieder in ihrer Praxis in Thüringen. Sie hatte in der KBV-VV als Kennerin der Materie klare Kante gezeigt mit ihrer Ablehnung von Wirtschaftlichkeitshinweisen im AIS, wie sie derzeit noch im Gesetzentwurf drinstehen, aber nichts verloren haben.

Diese würden auch den Kerngedanken des ArzneiMittelmarktNeuOrdnungsGesetzes (AMNOG) von 2010 konterkarieren. Danach verhandeln Kassen und Arzneihersteller Erstattungspreise, die als wirtschaftlich anzusehen sind; die Therapieentscheidung bleibt dem Arzt überlassen. Das schert die Kassen aber nicht. Sie versuchen uns zusätzlich mittels AM-VSG über das Wirtschaftlichkeitsgebot in Haft zu nehmen. Das ist nicht zu verstehen, sind es doch die Kassen (nicht die KBV), die vollumfänglich an dem Nutzenbewertungsprozess, wozu auch die Erstattungspreise gehören, beteiligt sind. Dann hätten sie in den Verhandlungen den Mund aufmachen müssen, anstatt später nicht zu ihrem Verhandlungsergebnis zu stehen und uns Unwirtschaftlichkeit vorzuwerfen.

»Dann hätten die Kassen den Mund aufmachen müssen«

Wie kann das sein, werden Sie sich fragen. Bei den Erstattungspreisen handelt es sich um Mischpreise, weil es Arzneien gibt, denen ein Zusatznutzen (= wirtschaftlich) in bestimmten Indikationen zugebilligt wurde, aber nicht in allen Subgruppen (= unwirtschaftlich). Abhilfe sollte eine Mischkalkulation (= Mischpreis) schaffen, was aber nicht funktioniert, wenn die Kassen von dem vereinbarten Preis nichts mehr wissen wollen.

Dieser Willkür der Kassen haben unsere ärztlichen Vorfahren, an vorderster Front der Kollege Hermann Hartmann, im Jahr 1900 Einhalt geboten. Sie gingen dafür sogar auf die Straße und streikten – mit Erfolg! Sich zu wehren scheint heute leider aus der Mode gekommen zu sein, sodass ein Mitglied des Gesundheitsausschusses des Bundestags anlässlich des Inkrafttretens des Antikorruptionsgesetzes öffentlich sagen konnte: "Wir hatten noch nie so leichtes Spiel mit den Ärzten wie zurzeit."

Zurück zum Arzt-Informations-System. Das ganze Bemühen des Gesetzgebers, Innovationen in die Versorgung hineinzubringen, steht und fällt mit der Verordnungssicherheit für den Arzt. Unsere Forderung kann deshalb nur lauten: "Ja" zur Information für therapeutische Entscheidungen. "Nein" zur Verknüpfung mit Wirtschaftlichkeitshinweisen.

»Bitte keine Hinweise zur Wirtschaftlichkeit!«

Das "Ja" kann aber nicht bedeuten, dass die Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) zur frühen Nutzenbewertung jetzt einfach so in die Praxissoftware eingespeist werden können. Die Frage ist auch, ob der G-BA dazu als parastaatliche Institution überhaupt berechtigt ist, weil er damit unzulässig in den Wettbewerb eingreifen könnte. Fachgesellschaften können sich auf Wissenschaftsfreiheit berufen, der G-BA kann das nicht. Die Beschlüsse selbst sind sehr komplex und mit den Anhängen sehr voluminös. Das alles kann ein Arzt nicht durcharbeiten.

Die Information muss knapp und selbsterklärend sein, eine Überinformation muss vermieden werden. Gerade jetzt, wo jüngste Bewertungen des G-BA zu neuen Onkologika für Unverständnis sorgen, wird klar: Nur Leitlinien der Fachgesellschaften können für den Arzt ausschlaggebend sein, zumal die Zusatznutzenbewertung auf frühen, vorläufigen Erkenntnissen beruht.

Für das "Nein" müssen wir uns einsetzen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Die Formulierung im Gesetzentwurf, dass das AIS auch Hinweise zur Wirtschaftlichkeit enthalten soll, muss raus. Ansonsten drohen zeitfressende, chaotische Zustände in den Versorgerpraxen, über die wir auch unseren Nachwuchs informieren müssten. Dann können sich Bund und Länder den Masterplan Medizinstudium 2020, mit dem die Weichen für die Zukunft gestellt werden sollen, abschminken.

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